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Der General, der an der Macht klebt

Juntachef Guei in der Elfenbeinküste, bei seinem Putsch 1999 noch populär, will bei den bevorstehenden Wahlen sein eigener Nachfolger werden, statt neutral zu bleiben. Westafrikas Staatschefs befürchten einen neuen Krisenherd in der Region

von DOMINIC JOHNSON

Die Elfenbeinküste entwickelt sich zum Krisenherd. Indem der Führer der regierenden Militärjunta, Brigadegeneral Robert Guei, seine Kandidatur für die zum 17. September geplanten Präsidentschaftswahlen angemeldet hat, sind die Hoffnungen auf eine rasche Rückkehr zur zivilen Demokratie gesunken.

General Robert Guei hatte zu Weihnachten 1999 bei einem Militärputsch den wegen Korruption und ethnischer Spaltungspolitik im Land verhassten vorherigen Präsidenten Henri Konan Bédié gestürzt. Nach seiner Machtübernahme versprach Guei, „das Haus sauber zu machen“ und dann die Macht wieder abzugeben.

Alle politischen Parteien des Landes traten in seine Regierung ein. Doch sein Vertrauenskapital hat Guei rasch verspielt. Erst weigerte er sich beharrlich, eine eigene Kandidatur bei freien Wahlen auszuschließen. Dann setzte er bei der Erarbeitung einer neuen Verfassung Bédiés umstrittene Politik der ethnischen Diskriminierung fort und schloss damit, wie schon sein Vorgänger, den wichtigen Zivilpolitiker Alassane Ouattara von Wahlen aus, weil man ihm nachsagt, von Bewohnern des heutigen Burkina Faso abzustammen. Ouattara ist der führende Politiker des muslimischen Nordens der Elfenbeinküste. Ihn aus der Politik auszuschließen bedeutet die Ausgrenzung einer kompletten Region sowie der 40 Prozent Muslime in der Bevölkerung der Elfenbeinküste.

Seit der Inkraftsetzung der neuen Verfassung per Referendum am 23. Juli steigen die Spannungen. Das Militär löste mehrere Demonstrationen von Anhängern Ouattaras gewaltsam auf, tolerierte aber antifranzösische Aufmärsche radikaler Studenten. Frankreichs Entwicklungsminister Charles Josselin hatte gesagt, kein Politiker solle aus „künstlichen“ Gründen von Wahlen ausgeschlossen werden.

Am vergangenen Mittwoch tauchte Gueis Name schließlich auf der Kandidatenliste ausgerechnet jener Partei auf, die er 1999 von der Macht vertrieben hatte: der „Demokratischen Partei der Elfenbeinküste“ (PDCI), die von 1960 bis 1999 ununterbrochen regierte. Nach offiziöser Darstellung folgte Guei damit dem kollektiv vorgetragenen Wunsch der traditionellen Führer des Landes. Inoffiziell wird kolportiert, die traditionellen Führer seien völlig ahnungslos in den Präsidentenpalast zitiert worden. Dort habe man ihnen ihren Bittbrief an Guei vorgelesen.

Gueis Kandidatur muss noch von der PDCI abgesegnet werden. Die Partei tut sich damit schwer, denn sie ist voll von Anhängern des gestürzten Bédié. Der für dieses Wochenende geplante PDCI-Parteitag zur Kandidatenkür wurde verschoben, nachdem gewichtige Parteipolitiker sich gegen den „Vatermörder“ Guei ausgesprochen hatten. So bleibt alles offen. Aber alle unabhängigen Stimmen warnen, dass Wahlen mit Guei und ohne Ouattara das Land in den Bürgerkrieg treiben könnten.

Über Gueis Verhalten ist Westafrika immer besorgter. Traditionell ist die Elfenbeinküste ein Hort der Stabilität in einer unruhigen Weltregion. Mit den Kriegen in Sierra Leone und Liberia und der Instabilität in Nigeria steht Westafrika heute schon am Rande eines sich ausbreitenden Staatszerfalls. Kommt auch die Elfenbeinküste dazu, droht ein Flächenbrand von ineinander greifenden Konflikten.

Die Präsidenten von Senegal und Gabun machen sich nun hinter den Kulissen Gedanken über Deeskalationsmaßnahmen. Am Donnerstag reisten die Präsidenten von Togo und Benin in die Elfenbeinküste und appellierten bei einem Treffen mit Guei und den Parteiführern der Elfenbeinküste, „ethnische, religiöse und politische Spaltungen zu überwinden, um die Errungenschaften des Landes zu bewahren“. Das Gipfelkommuniqué benennt auch einen Ausweg aus der Krise: „Alle Parteien haben sich verpflichtet, im Sinne von Einheit, Zusammenarbeit und Versöhnung die Einsetzung einer Regierung der Nationalen Einheit voranzutreiben, was auch immer das Ergebnis der nächsten Wahlen sein wird.“

Damit würden zwar die Wahlen gegenstandslos, aber Gueis Kandidatur wäre neutralisiert. Die Demokratie bleibt auf der Strecke, aber der Frieden ist gewahrt.

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