: Ziel ist klar: Horn abstoßen
Die taz führt an die wahrhaft bösen Orte dieser Stadt, Teil 3: Das Einkaufszentrum in Horn – ein Vorstadtstillleben ■ Von Peter Ahrens
Vorstadt-Idyll. In Horn hat die Polizei einen Doppelmord aufzuklären und gestern die Belohnung festgesetzt. Schlimme Sache. Dazu noch in Horn. Auch schlimm. Horn sehen und sterben, das ist richtig hart. Warum Horn, warum nicht Venedig? Man ärgert sich ewig. Leben in Horn ist aber auch nicht schön. Horn, das ist dieser Stadtteil im Osten (!) Hamburgs, dem man eine niedliche gelbe Planierraupe zu Weihnachten zu schenken geneigt ist. Horn hat eine Rennbahn (Horner Rennbahn), die fast das ganze Jahr über nicht genutzt wird, warum auch? Wenn es eine Wegrennbahn wäre, dann wäre mehr los. Und Horn hat ein Einkaufs-zentrum – das EKZ Horn.
Ein Einkaufszentrum ist ohnehin schon ein böser Ort, per definitionem. Mies gelaunte Erwachsene, die noch mieser gelaunte Kinder malträtieren, Beinahe-Unfälle zwischen Einkaufswagen, vollgepackt mit Müll, den niemand braucht, Joe Cocker im Einkaufs-Radio, ältere Damen in der Schlange vor der Kasse (“ich glaube, ich hab es passend“), freundliches Verkaufspersonal (“Das gehört abgewogen, können Sie nicht lesen?“), das sich durch jahrzehntelanges tägliches Abmühen veritable Krampfadern in die Beine gestanden hat, rechts anstehen an der Fleischtheke – all das ist bekannt. Man muss sich all dieses jetzt in den Stadtteil Horn potenziert denken, dann ahnt man, was mitmacht, wer täglich dort den Park-and-Ride-Service am EKZ zur U-Bahnlinie 3 zu nutzen gezwungen ist.
Das Wort Service trifft es allerdings nicht wirklich: Das Parken des Wagens stellt immerhin sicher, dass das Autoradio postwendend von irgendwelchen 16-Jährigen aus der Umgebung fachmännisch ausgebaut wird, der Weg zu den Frauenparkplätzen führt nachts an den denkbar finstersten Ecken der Hinterfront des EKZ vorbei – zur Orientierung: das ist da, wo die Altpapiercontainer einmal in der Woche mit welken Porreeblättern angereichert werden – da ist nämlich Wochenmarkt im EKZ Horn. Das sind die Vormittage, an denen man ganz besonders abwägen sollte: Stelle ich mein Auto jetzt hier ab, oder quäle ich mich weiter stadteinwärts, stehe 20 Minuten auf der Ost-West-Straße im Stau, auf der Spur nebenan ein Jungspund im VW Cabrio, der „Anton aus Tirol“ hört: Natürlich entscheidet man sich für die zweite Lösung.
Das EKZ Horn bietet eigentlich alles, was man für das Malen eines Suburbian-Sittenbildes an Grundausstattung braucht: Olafs Kneipe an der Ecke zum Beispiel, wahrscheinlich inclusive Charly-Time und Kleiner Feigling, mal so vermutet. Dass rund ums EKZ seit Jahr und Tag eine Baustelle Dreck und Lärm vor dem U-Bahn-Eingang ausstößt, ist vollkommen in Ordnung und nichts als konsequent.
Am schönsten ist es am EKZ um 21 Uhr: Dann schließen bärbeißige private Sicherheitsleute das EKZ zu. Über allen Plastiktüten ist Ruh.
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