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■ Urdrüs wahre KolumneIntifada gegen Schützenfest-SS

Stadtfest inmitten der kuscheligen Fachwerk-Idylle meiner Rintelner Heimat. Ausgestiegene Lehrer und Sozialpädagogen machen da und dort den Clown mit roter Nase, schminken die Kids zu Cats oder geben den Allround-Jongleur mit Devilstick und mindestens zwei Bällen. Aus der Metropole Bremen sind Sally & Sissy travestierend eingetroffen, um einen Hauch frivolen Nightlifes zu vermitteln, und als Stargäste geben sich die professionellen Schluckspechte der Bourbon Skiffle Company die Ehre. Inmitten all des Trubels bietet ein Kunstgewerbler hölzerne Schlüsselanhänger und Türschilder sowie diverse Sinnsprüche an. Sein Verkaufsschlager ist ein etwas verhuscht auf Frühstücksbrettchen gedruckter Piccaccu, der durch Brandmalerei an Ort und Stelle angebrachte Kindernamen zu einem höchst individuellen Unikat werden läßt. Lauter Mircos, Kerstins, Sönkes und Sophiechens bekunden nunmehr ihr ewiges Bündnis mit dem quittegelben Pokemon und der trendbewusste Opa will auch seinem Enkel Malte solch Stück Kunsthandwerk gönnen. Dieser ausgewiesene Piccaccu-Fan im zarten Grundschulalter aber lehnt zögerlich ab: „Vielleicht sind das ja gar keine richtigen, sondern gefälschte ...“ Weh uns, was sind das für Zeiten, in denen schon Kinder ihre Zuneigung markenbewusst unter das Räderwerk des internationalen Lizenzrechts kommen lassen? Momente, in denen die Erlösungsbedürftigkeit dieser Welt so offenbar wird wie sonst nur in den Augen eines betrunkenen Me-lancholikers oder beim Blick auf das Menschenwerk Stau bei 30 Grad im Schatten auf der Autobahn ...

Das Kaugummispucken soll in Cuxhaven künftig mit einem Bußgeld geahndet werden und ehe etwa der Unions-Saubermann Rolf „Bully“ Herderhorst darin eine Chance erkennt, die Finanzen für polizeiliche Auf- und Ausrüstung in Bremen einzuspielen, verweisen wir auf die ausbaufähige Produzentenhaftung: Nicht immer alles auf den kleinen Mann mit Mundgeruch abwälzen! Und natürlich lehne ich als aufrechte Antifaschistin den typisch herderhorstschen Ansatz zurück, den Kampf gegen die politischen Neandertaler durch Einrichtung eines Polizeistaats zu führen, indem sich die kahlköpfigen Schützenfest-Sicherheitsdienstler wie Schellfisch im Wasser fühlen, angelangt am Ziel ihrer Träume.

Was für Hoffnungen habe ich als Eigentümer einer Urnengrabstelle der Deutschen Seebestattungs-Genossenschaft in der kabbeligen Nordsee bei Helgoland nicht schon in die neue Fähre „Speedy“ gesetzt! Habe mir so schön vorgestellt, wie nach meinem Ableben Freunde aus Bremen eben mal an der Schlachte ins Schnellboot steigen, auf dem Fuselfelsen ein paar Flaschen Schnaps kaufen und bei der Rückreise ein paar Schlückchen über die Reling kippen. Zollfrei, versteht sich, damit man nicht noch über den Tod hinaus die gemeingefährliche Institution des Staates subventioniert und jetzt kommt der Pott nicht ins Laufen: Wenn da schon wieder die ortsansässige Wirtschaftsförderung hintersteckt, würde das weder den Jekyll noch den Hyde in mir wundern!

Hoffnung immerhin bietet die Aussicht, dass das aus versicherungstechnischen Gründen oder auch aus schlichter Bosheit gebrandschatzte Restaurantschiff „Welle“ wieder aufgebaut wird. Essen & Trinken am Fluss als Perspektive für Bremen in einer hanseatisch geprägten Freizeitgesellschaft der Hütchenspieler, Prominentenfriseure und Gesellschaftsreporter – das ist der Stoff, auf den Verlass ist, solange der Arsch noch in die Hose passt. Ansonsten sollte man darauf achten, dass der CDU-Landesvorsitzende Bernd E. Neumann sich endlich am Wesenstest beteiligt – wir kommen sonst um Maulkorb und Leine für ihn nicht drumrum, vor allem, wenn er jetzt auch noch als Kombattant bei der Intifada gegen Rechts im Wege stehen will, meint aus veterinärmedizinischer Sicht

Ulrich „Doolittle“ Reineking

PS: Heute nicht gut drauf?

Gut erkannt!

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