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Illegal, scheißegal

Heute ist wieder Hanfparade. Doch auch sonst fühlen sich die Kiffer nicht mehr in die Illegalität gedrängt. Cannabis ist zur Alltagsdroge geworden

von BERT SCHULZ

Das Klima ist entspannt, ruhig kreist der Joint. Kein Stress, keine Hektik bitte, höchstens: „Leg doch mal einer ruhigere Musik auf.“ Welch schönes Klischee einer Berliner Kifferrunde: vielleicht unter Studenten oder unter Hip-Hop-Freaks oder unter nadelgestreifen Businessmen nach einem erfolgreichen Geschäftsabschluss. Berlin chilled im Cannabisrausch?

Nicht die Polizei. „Der Besitz von Cannabisprodukten ist nach wie vor ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.“ Hart klingen diese Worte eines Polizeisprechers. Die Menge spiele dabei keine Rolle, fügt er hinzu. Deswegen heißt die Vorschrift ganz klar: Einschreiten. Genau 4.535 Fälle von Cannabisbesitz schloss die Polizei im vergangenen Jahr ab, geringfügig weniger als 1998, weiß die Statistik. Sagenhafte 96 Prozent davon wurden aufgeklärt.

Seit zwei Jahren kontrolliert die Polizei auch bei Verkehrskontrollen verstärkt auf Drogen. Wer wie ein Fahranfänger holprig durch die Straßen kurvt, muss sich auf eine Blutuntersuchung gefasst machen, sagt Michael Zeilbeck von der Landesschutzpolizei. Er betont, dass dabei nur Konsumenten aus dem Verkehr gezogen werden, die wirklich zum Zeitpunkt der Kontrolle unter Einfluss von Drogen standen. Viele Kiffer bezweifeln das. Sie sehen in den Kontrollen eine weitere Repressalie. In der Tat gibt es keine festgelegten Grenzwerte wie bei Alkohol. Letztlich entscheidet der Richter.

Locker bleiben. Die Polizei muss zwar gegen den Besitz von Haschisch vorgehen, aber: „Können wir das überhaupt noch?“ Fragt rhetorisch Dieter Großhans, Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft der Polizei. Denn zum Beispiel Diskotheken könne die Polizei „kaum noch kontrollieren“. Von der eindeutigen Vorgabe des Gesetzes möchte Großhans allerdings nicht abrücken. „Das wird so von der Bevölkerung noch nicht akzeptiert und könnte so auch nicht akzeptiert werden.“

Dass Haschisch inzwischen auch an Schulen konsumiert wird, ist nichts Neues und der Senatsverwaltung bekannt. „Die Schulen gehen unterschiedlich damit um“, berichtet ein Mitarbeiter des Drogenreferats. Im Extremfall drohe ein Schulverweis. Seine Abteilung empfielt den SchulleiterInnen jedoch, das Problem offen anzugehen und „angstfrei darüber zu reden“. In gelöster Atmospäre also.

Locker sieht Hanfaktivist und Abgeordneter Freke Over die Situation der Kiffer in der Hauptstadt. Die Polizei schreite nur ein, wenn der Konsum von Haschisch in der Öffentlichkeit gar nicht mehr zu übersehen sei. Generell sei das Klima, abgesehen von der Jagd auf Cannabispflanzen – „entspannt“.

Wirken Zahlen auch beruhigend? 6,5 Gramm Haschisch gelten in Berlin als „geringe Menge“. Wer damit erwischt wird, hat Glück im Unglück. Das Verfahren wird nach Auskunft einer Justizsprecherin von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Wer größere Batzen bei sich trägt, sollte sich nicht zu oft filzen lassen: „Bis 15 Gramm kann die Staatsanwaltschaft einstellen“, so die Sprecherin. Erst wird allerdings dasVorstrafenregister durchsucht.

Untersuchungen zum Haschischkonsum florieren wie gut gepflegte Cannabisplanzen. Richtig aussagekräftig sind sie jedoch kaum. 1997 gaben laut den Daten der Senatsverwaltung 24 Prozent der West- und fast 12 Prozent der Ostberliner zwischen 18 und 39 Jahren an, Erfahrungen mit Haschisch zu haben. Ob einmal, zweimal oder immer noch, bleibt nebulös.

Als „illegale Alltagsdroge, die in den letzten Jahren immer selbstverständlicher geworden ist“, bezeichnet Harvey Becker vom Therapieladen Cannabis. Für einzelne Subkulturen sei es wieder fester Bestandteil eines alternativen Lebenskonzepts, etwa für die Goa-Szene. Unterschätzen sollte man Cannabisprodukte seiner Ansicht nach nicht: Bis zu 8 Prozent der schätzungsweise 300.000 Berliner Cannabisbenutzer hätten ihren Konsum nicht im Griff. Bei Alkohol sollen es 10 Prozent sein. Überschätzt wird dagegen laut Becker die Bedeutung einer Legalisierung von weichen Drogen – von Unterstützern und Gegnern. „Die Konsumenten haben kein subjektiv erlebtes Unrechtsbewusstsein mehr.“ Illegalität sorge nicht mehr für den zusätzlichen Kick.

Als illegal sieht auch ein wachsender Anteil der Berliner Marihuana nicht mehr an. Meint Markus Hückelheim von „ecclipse“, einer Gruppe, die Aufklärungsarbeit über Drogen betreibt. „Die Akzeptanz wird immer größer, auch unter der Normalbevölkerung“. Vorurteile gegen Konsumenten gebe es kaum noch, in vielen Kneipen könne man Joints rauchen. Mittelfristig komme es zu einer Entkriminalisierung, glaubt Hückelheim. Dagegen stemmten sich derzeit allerdings sowohl noch die „relativ repressive Drogenpolitik“ in Berlin sowie weite Teile der Presse mit Sensationshascherei.

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