Einfach zäh und hartnäckig

Zivilcourage gegen rechts (11): Hermann Nehls, resoluter Leiter einer DGB-Jugendbildungsstätte

Hermann Nehls ist schnell. Den Termin schaffe er locker, sagt er am Telefon. Er sei mit dem Motorrad unterwegs. Genauso schnell wie mit dem Motorad ist der 45-Jährige im Gespräch bei der Sache. „Wer rechte Sprüche reißt, fliegt raus.“ Die blauen Augen funkeln entschlossen.

Seit knapp sechs Jahren ist der ehemalige Westberliner Leiter der DGB-Jugendbildungsstätte in Flecken Zechlin, einem kleinen Ort in Nord-Brandenburg. Ein rauhe Gegend. Trotz des wunderschönen Sees, an dem die Bildungsstätte liegt. Viele Einheimische betrachten das DGB-Haus als etwas Fremdes.

1996 war die vermeintliche Idylle vorbei: Ein Rechter raste mit seinem Trabbi in eine Gruppe von Seminarteilnehmern. Eine türkische Jugendliche konnte im letzten Moment zur Seite springen. „Das war ein Schock“, sagt Nehls. Der ehemalige Mechaniker drängte auf eine Anzeige. Der Rechte wurde zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt – wegen versuchten Mordes.

Nehls hat später die Einrichtung des DGB für die Jugendlichen im Dorf geöffnet. „Die Isolation war uns auf die Füße gefallen.“ Jetzt machen die Jugendlichen aus dem Ort Theater-, Video- und andere Projekte. Allerdings: Rechte Sprüche oder Abzeichen werden nicht geduldet. Auch der Trabbi-Fahrer bekam eine Chance, nachdem er aus dem Knast war. Eines Tages kam er mit einem T-Shirt, auf dem ein rassistisches Motiv stand, ins Haus. Darauf angesprochen, meinte er: „Glaubst du, ich habe mich im Knast verändert?“ Seitdem hat er Hausverbot.

In der Region mögen nicht alle diese Haltung. Zu Pfingsten dieses Jahres erhielt der Gewerkschafter einen Drohanruf: „Wir kriegen dich.“ Zwei Wochen später prangten NPD-Aufkleber auf dem Briefkasten seiner Wohnung. Nehls hat den Vorfall sofort öffentlich gemacht. Nehls: „Man darf sich nicht verstecken.“ Die DGB-Einrichtung hat einen Offenen Brief verfasst, in dem alle im Ort aufgefordert werden, sich hinter Nehls zu stellen. Im Gemeinderat kam es zu Eklat: Er wollte nicht unterschreiben. Die Stimmung: Man dürfe den Ort, der vom Tourismus lebt, nicht öffentlich schlecht machen.

Für Nehls war diese Haltung ein „Rückschlag“. Aber der Mann, der 1994 Hilfskonvois ins bosnische Tuzla organisierte, lässt nicht locker. Der Vorfall hat zu einer Polarisierung unter der Bevölkerung geführt. Rund die Hälfte solidarisiert sich mit der Bildungsstätte. Nehls: „Für Brandenburg ist das schon viel.“ Zurzeit wird mit dem Gemeinderat verhandelt – über den Wortlaut einer gemeinsamen Erklärung zu dem Vorfall. „Vielleicht finden wir eine gemeinsame Linie.“

RICHARD ROTHER