: „Es war ja so konspirativ“
Die Hamburger Filmförderung feiert zwanzigjähriges Bestehen und die gleichaltrige Filmproduktion „thede“ feiert mit ■ Von Tim Gallwitz
20 Jahre Hamburger Filmförderung, 20 Jahre thede. Die Koinzidenz, und dass die Filmförderung seit Jahren Produktionen der thede mitfinanziert, vereint die Jubilarinnen und gibt Anlass für ein Festprogramm mit thede-Produktionen.
Zu Gründerzeiten war so eine Feier wohl kaum abzusehen. Denn der Nährboden der thede war eine Szenerie, in der Hausbesetzungen und Ähnliches zum guten Ton gehörten, und eine gewisse Staatsferne ebenso dringlich schien wie Dokumentation und Support der Bewegung. Zusammenschluss von Werktätigen im dokumentarischen Bereich, Film- und Equipment-Verleih – „Medienzentrum“ war der schon damals geläufige Begriff für solcherlei Institute. Das Medienzentrum die thede verdankt den Namen jener Straße in Altona, in der sie bis vor einigen Jahren residierte. Eine Referenz an lokale Verankerung, was sich etwa in „Hamburg-Altona, ein starkes Stück“ (1983) zum Manifest erhebt – einem filmischen Flankenschutz für die Verteidigung eines Stadtteils gegen Abrisssanierung und Automobilwahn. Der Eifer der einstigen Straßenkämpfer taugt zur Anekdote am Rande der Besetzung Hospitalstraße 6. Die Besetzergruppe trug diversen Videogruppen die Dokumentation an, welche sich nun wechselseitig um Equipment baten, bis man schließlich erkannte, dass alle am gleichen Projekt werkelten: „Es war ja alles so konspirativ“, meint Christian Bau, Regisseur und Mitbegründer der thede.
Leider bleiben am Sonntag die Perlen des Häuserkampfs im Geheimen, doch man entschädigt uns mit Späterem aus der Produktionsgeschichte. Ideologische Kontinuitäten in der Stadtplanung ließen die thede über den Viertelrand auf die NS-Planungen für die „Führerstadt Hamburg“ blicken. Das Neue Hamburg (1985) von Christian Bau und Manfred Oppermann visualisiert die hochtrabenden Pläne Hitlers, für den Hamburg „so etwas Amerikanisches“ hatte und der New York mit einer gigantischen Brücke über die Elbe zu übertreffen suchte. Neben Großmannsplänen für Herrschaftsbauklötze zeigt Das Neue Hamburg die avisierte Zerschlagung unübersichtlicher urbaner Strukturen, die den Nazis als potenzieller Hort des Widerstandes erschienen. Pläne, die nach 1945 keineswegs vom Tisch waren, sondern in personeller und ideologischer Kontinuität weiter exekutiert wurden.
Die Vergangenheit bleibt thede-Thema, doch der Blick auf sie bekommt andere Konturen. In Lubitsch Junior (1990) stößt eine Filmcrew bei Recherchen auf einen älteren Herrn, der vorgibt, Sohn von Ernst Lubitsch zu sein. Scharfsinnig verhandelt der Film, Grenzen zwischen Dokumentation und Fiktion verwischend, die Suche nach Wahrheit und Authentizität. Ist Lubitsch Junior „echt“? Oder ist er womöglich Täter, sich clever hinter der Maske des Opfers verbergend? Ist der Film „echt“?
Die kritische Masse (1998) dokumentiert eine Zeit, in der Hamburg mal zu den Nabeln untergründigen Filmschaffens gehörte. Die erste Filmschau der Hamburger Film-Cooperative im Februar 1968 war Startschuss eines Kinos, das konventionelles Handwerk und Publikumserwartung gleichermaßen ignorierte und die Lust an Experiment und Provokation fast ungehemmt sich austoben ließ. Wer von den üblichen Verdächtigen die Trailer für den N3-Filmclub und Monstren, Mumien, Mutationen fertigte – nur eines der Aha-Erlebnisse.
Frisches aus thede-Werkstätten verspricht die Schau Nord-Nordost. Unter anderem wird Appetit auf die Doku Dynamo Kiew gemacht. In den 70er-Jahren wirbelte das „Rote Orchester“ das Parkett des europäischen Fußballs mit erfrischendem Offensivspiel durcheinander. Oleg Blochin avancierte zum besten Linksaußen (was sonst?) und die modischen Langhaarfrisuren der Dynamo-Kicker konterkarierten westliche Vorstellungen vom sowjetischen Robotnik. Prima Doku. Happy Birthday, thede!
Sonntag, 3. September, Abaton: Das Neue Hamburg (11 Uhr), Nord-Nordost (12.30 Uhr), Freddie the Dolphin (15 Uhr),
Lubitsch Junior (17 Uhr), Der geflüsterte Film (19 Uhr), Die kritische Masse (20.45 Uhr)
Gäste: Christian Bau und Barbara Metzlaff; weitere Infos: www.diethede.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen