: Der den Kinoolymp wortlos erklomm
■ „Dolphins“ von Farhad Yawari verunsichert mit seiner Mischung aus handwerklicher Ausgefuchstheit und naivem Pathos die hiesige Filmkritik. Der Regisseur ist amüsiert
urzeit bietet sich die Chance, das Erstlingswerk des mutmaßlichen Oscarpreisträgers des Jahres, sagen wir mal 2018, zu sehen. Der Schöpfer heißt Farhad Yawari und kam mit 15 Jahren mit seiner Familie aus dem Iran nach München. Kaum als Student an der dortigen Filmhochschule aufgenommen, wollte er auch schon ein aufwändiges Filmprojekt realisieren, was auf wenig Gegenliebe seitens der Professoren stieß. Also beschloss das kraftstrotzende Greenhorn, den großen, alten, hundertfach durchvariierten Independentfilm-Mythos nachzuspielen: Besessener Jungregisseur boxt gegen alle Widerstände sein Herzensprojekt „Dolphins“ durch.
Damals war Yawari ein 21-jähriger Milchbart, und es gelang ihm tatsächlich, Firmen zu kostenlosen Sachleistungen zu beschwatzen. Sogar Xavier Naidoo wurde zur Mitwirkung am (grauenhaften) Soundtrack gewonnen. Richtig abenteuerlich ist aber die Rezeptionsgeschichte von „Dolphins“. Im Ausland hagelte es nicht nur Einladungen zu renommierten Festivals. Die deutsche Presse hingegen hatte ihre Schwierigkeiten mit der Mär von der schönen, reinen Maid, die in einer psychiatrischen Klinik von gefühllosen WärterInnen geknechtet und geknebelt wird, bis zwei liebliche Jünglinge tatkräftig ihre Befreiung bewirken. In Zeiten der gebrochen Töne und der Durchmischung der Kategorien Täter und Opfer bekommen unironische Sujets voller Gut-Böse-Antinomien schnell das Prädikat kitschig. Eigentlich schade. Die Raffinesse von Schnitt und Bildkomposition aber gab den Kritikern schwer zu beißen: Avantgardistische Form und fauler Inhalt, diese Kombination darf's laut Adorno gar nicht geben. Nun ist der Film doch noch in Deutschland angelaufen und Yawari, mittlerweile 25 Jahre alt, amüsiert sich köstlich über das gespaltene Feedback, das er auf seiner Promotour erlebt:„Ablehnung ist auch eine Form des Interesses.“
taz: Warum interessiert sich ein saturierter Student für eine dramatische Ausbruchgeschichte?
Farhad Yawari: Mein Film ist eine Art Märchen, also allgemeingültig. Ich wollte nicht Bezug nehmen auf spezielle politische oder gar persönliche Ereignisse, auch wenn man gerade von einem Ausländer in Deutschland erwartet, dass er seine spezifische Situation thematisiert. Meine Geschichte ist uralt, und ich war vor allem interessiert an der Form, mit der man sie zu fassen bekommt. Und da habe ich ganz auf Sprache verzichtet und stattdessen die Schauspieler mit ihren sanften Gesten und Gesichtern sprechen lassen.
Und Licht-Schatten-Spiele erinnern an den deutschen expressionistischen Film.
Klar, ich bekenne mich zu meiner Liebe zu Lang, Pabst, Murnau. Im Iran ist Charlie Chaplin eine Art Megastar. Auch ich habe ihn gesehen ohne Ende. Daneben interessierte ich mich für die sowjetische und deutsche Avantgarde, weil sie mit wenigen Worten große Gefühle erzeugten, weil sie die Barriere Sprache überwanden. Das ist heute noch gültig.
Die iranischen Regiestars Abbas Kiarostami und Mohsen Machmalbaf?
Sie machen wunderbare Filme. Allerdings fühle ich mich weniger ihrer Filmsprache verbunden als der genialen Einfachheit, mit der sie ihre Sache erzählen.
Sie sehen sich in der Tradition von Lang und Eisenstein, und werden trotzdem umworben von Hollywood?
Die haben die Tränen der Menschen, der Zuschauer im Kino gesehen. Auf den Festivals in New York und Los Angeles war mein Film der einzige, der standing ovations bekam. Ob er in den USA ins Fernsehen oder in die ganz normalen Kinos kommt, ist aber noch nicht ganz klar.
Wie geht es konkret weiter?
Ich bin unter Vertrag bei einer der mächtigsten Agenturen, bei ICM. Die leiten die Angebote an mich weiter. 80 Drehbücher habe ich bislang durchgesehen.
Wahnsinn, Sie haben da die ganz freie Auswahl?
Ja, aber Ihre Reaktion ist jetzt wieder typisch für Deutschland. Hier heißt es immer Scheiß Hollywood, und dann sind die Leute doch beeindruckt von meinem Erfolg dort. Das Verhältnis zu Hollywood ist hier schon sehr zwiespältig.
Hollywood ist objektiv zwiespältig. Wie sieht Ihr nächster Film aus?
Keine Ahnung. Solange mir kein Thema auf den Nägeln brennt, werde ich keinen Film drehen. Da gehe ich dann lieber kellnern zur Not.
Sie haben nach drei Monaten die Filmhochschule verlassen. Müssen Sie nicht Theorie nachholen?
Nein, die schwierige Produktion von Dolphins war die beste Filmhochschule der Welt. Vielleicht ist es der beste Weg, Filmemachen auf der Straße zu lernen.
Fragen: Barbara Kern
„Dolphins“ dauert 45 Minuten und läuft zusammen mit einem grotig-kitschigen Vorfilm täglich um 19 + 20 h im Cinema, Fr+Sa auch um 23 h.
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