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: Atlético Madrid darbt sich durch die zweite Liga

Schmoren in der Hölle

„Ein Jahr in der Hölle“, heißt das Motto, mit dem Atlético Madrid seinen Anhängern nach einer katastrophalen Saison 1999/2000, die den spanischen Traditionsclub in die zweite Liga führte, einen schnellen Wiederaufstieg verspricht. Doch noch vor dem ersten Heimspiel am kommenden Sonntag gegen Recreativo Huelva, bei dem die teuflische Elf den Fans vorgestellt werden soll, ist die Stimmung noch unter dem Tiefpunkt angelangt. Denn der Zweitligaauftakt der Rot-Weißen, die insgesamt 20 nationale und internationale Titel ihr eigen nennen, hätte gründlicher nicht daneben gehen können. 1:4 hieß es vergangenes Wochenende am Ende qualvoller neunzig Minuten bei Levante in Valencia.

„In der Hölle muss man gut spielen, wenn nicht, bleibst du ewig in der Zweiten“, hatte Stürmer Kiko bereits vor der Saison gewarnt, als habe er es geahnt. Mit einem freiwilligen Verzicht auf einen Teil seiner Einkünfte und der Unterzeichnung eines Vertrages auf Lebenszeit wollte der beliebteste Spieler des Clubs ein ganz persönliches Zeichen setzen. Und mit einem eigens zurechtgestutzten Satansbärtchen warb er für neue Dauerkartenbesitzer. Mit Erfolg: Der Zweitligist Atlético liegt mit 40.000 treuen Gästen nach dem FC Barcelona und Real Madrid auf Platz drei der spanischen Rangliste.

Um für Spektakel zu sorgen und einen Durchstart zurück in die erste Liga zu garantieren, hat Clubpräsident Jesús Gil y Gil keine Kosten gescheut. 106 Millionen Mark, zehn Millionen mehr als der spanische Champions-League-Vize FC Valencia und fast viermal so viel wie Bayern München, lässt sich der Chef der Rot-Weißen die „alles entscheidendende Saison“ kosten. So mancher Erstligaspieler ließ sich von Gil mit vielen Peseten für die Reise durchs Inferno unter der Regie von Trainer Fernando Zambrano begeistern. Darunter Salva, der Torschützenkönig der vergangenen Saison vom amtierenden Meister Deportivo La Coruña. Das Geld für die neue Mannschaft kam aus dem Verkauf internationaler Spitzenspieler. Der Brasilianer Juninho ging zu Vasco da Gama nach Rio de Janeiro, der tschechische Nationalspieler Radek Bejbl zu RC Lens und der Holländer Jimmy Hasselbaink zum FC Chelsea. „Unsere Mannschaft könnte um die Uefa-Cup-Plätze mitkicken, wenn wir in der ersten Liga wären“, ist sich Kiko sicher.

Doch leicht wird es für Atlético nicht, obwohl die Sportpresse das Team auch nach dem Einbruch gegen Levante weiterhin als Favoriten im Kampf um den Aufstieg sieht. Spaniens Segunda División ist die teuerste zweite Liga der Welt. Nur fünf der insgesamt 22 Clubs spielten nie in der ersten. Neben Atlético stiegen letztes Jahr mit Betis Sevilla und dem FC Sevilla zwei weitere Traditionsclubs ab.

Doch nur wenigen einstigen Spitzenteams in Europa – unter ihnen der FC Valencia – ist es nach einem Abstieg gelungen, in nur einer Spielzeit wieder zur Spitzenklasse aufzuschließen. So mancher Verein, wie Borussia Mönchengladbach, Olympique Marseille oder der SSC Neapel mussten mehr als eine Ehrenrunde drehen. Genau das kann sich Atlético Madrid eigentlich nicht leisten. Die starke finanzielle Belastung, die Gil dem Club dieses Jahr aufbürdet, könnte den Club ins Verderben reißen. Die Einnahmen aus TV-Übertragungsrechten sinken durch den Abstieg von 53 Millionen Mark jährlich auf gerade einmal 1,7 Millionen Mark. Eine in weiser Voraussicht abgeschlossene Versicherung kommt diese Saison für die fehlende Summe auf. Iim nächsten Jahr fiele das weg und Atlético wäre, auch was die Finanzen angeht, nur noch zweite Klasse.

REINER WANDLER