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■ In der Städtischen Galerie ist die Sammlung konstruktiver Kunst der gebürtigen Bremerin Anne Lahumière zu sehen
Anne Lahumière ist eine begehrte Frau. Im Zehn-Minuten-Takt gibt das grüne Handy in ihrer Jackentasche hässliche Töne von sich. Einem entschuldigenden Achselzucken folgen kurze Gespräche mit Agenten, Künstlern, Verbandsfunktionären. Anne Lahumière ist seit 1963 Galeristin in Paris – nicht irgendeine, sondern gemeinsam mit ihrem Mann Jean-Claude Gründerin eines der einflussreichsten Häuser für geometrisch-konstruktivistische Kunst. Spätestens als sie zur Präsidentin des französischen Galeristendachverbandes gewählt wurde und sich in Straßbourg auch auf europäischer Ebene für die Interessen ihres Berufsstandes engagiert, war die Anschaffung eines Handys nicht zu vermeiden.
Vor dem Handy aber hat sich das Ehepaar Lahumière vor allem jahrzehntelang Bilder von Victor Vasarely, Alberto Magnelli, Jean De-wasne oder Josef Albers gekauft, was ihrem Geldbeutel weniger gut getan hat, ihrem Renommée aber umso mehr. Eine der bedeutendsten privaten Sammlungen konstruktiver Kunst aus Frankreich und Deutschland nennen sie ihr Eigen und zeigen sie nun erstmals in Deutschland.
Ihre Geburtsstadt Bremen, genauer die Städtische Galerie im Buntentor hat sich die Ex-Schülerin des Kippenberg-Gymnasiums für diese Premiere ausgesucht. Neben nostalgischen Gefühlen ist das vor allem dem Engagement des Bremer konstruktiven Malers Nicholas Bodde zu verdanken, der auf einer Kunstmesse den Kontakt zu Lahumière geknüpft hatte.
Inzwischen gehören auch Boddes Arbeiten zur „Collection Lahumière“, eine ein ganzes Jahrhundert umfassende Sammlung, die den Bogen vom Kubismus über die russische Avantgarde über das Bauhaus bis in die jüngste Zeit schlägt. Der Schwerpunkt aber liegt auf der französischen Tradition, die auch im Mittelpunkt der in Bremen gezeigten Bilder stehen.
Eine bemerkenswerte Ansammlung an kunsthistorisch bedeutsam gewordenen Quadraten, Kreisen, Balken und ungezählten weiteren streng geometrischen Formen hat die Galeristin mitgebracht. Die kompositorische Strenge der konstruktiven Überväter wie Auguste Herbin, Günter Frühtrunk oder Jean Deyrolle, die weltanschaulich gestählt der chaotischen Natur mit klaren Strukturen zu trotzen suchten, findet sich formal auch in den Arbeiten der jungen Künstler. Doch an die Stelle des fundamentalen Weltgegenentwurfs eines utopischen Kommunisten wie Jean Dewasne treten bei ihnen bescheiden anmutende Auseinandersetzungen mit visuellen Phänomenen in puncto Farb- und Formwirkung sowie der Rolle des Zufalls bei der Bildentstehung. Trotz durchaus spannender Arbeiten wie jener des Franzosen Jean-Francois Dubreuil, der Tageszeitungsseiten in graphische Elemente zerlegt, bleibt der Eindruck, dass die jüngeren Künstler sich vor allem in der detaillierten Auseinandersetzung mit der konstruktiven Tradition ergehen. Beim Betrachtenden erzeugt dieser im Verlgeich verarmte Anspruch allzu häufig déjà-vue-Effekte. zott
Die Ausstellung „Collection Lahumière“, zu der auch ein Katalog erschienen ist, wird heute um 19 Uhr eröffnet und ist bis zum 8. Oktober zu sehen. Infos: Tel.: 361 69 20
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