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Ein gigantomanischer Reinfall

Der Millenniums-Dom an der Londoner Themse ist zum Millionengrab geworden. Statt 20 Millionen Zuschauer werden jetzt nur noch viereinhalb erwartet. Eine japanische Bank will die Teflonkuppel kaufen und stattdessen ein Einkaufszentrum bauen

aus London RALF SOTSCHECK

Aus einem Dutzend Lautsprechern dröhnen Hiobsbotschaften: Die britische Wirtschaft ist am Ende, das Land ist bankrott. Dann, im nächsten Raum, kommt die Entwarnung. Es war eine Falschmeldung, die finanziellen Angelegenheiten Britanniens seien in sicheren Händen. An der Wand hängt ein Großfoto des Premierministers Tony Blair.

Diese kleine Show ist eines der banalen Unterhaltungselemente, die im „Dome“, der gigantischen Teflonkuppel am Themse-Ufer im Londoner Stadtteil Greenwich, seit Jahresbeginn geboten werden. Der Dome ist, im Gegensatz zur britischen Wirtschaft, tatsächlich pleite. In dieser Woche musste die Regierung weitere 47 Millionen Pfund zuschießen, damit die Kuppel wie geplant bis Jahresende geöffnet bleiben kann.

Ursprünglich sollte der Bau mit 399 Millionen Pfund aus Lotteriegeldern bezuschusst werden, fast genauso viel gab die Privatwirtschaft hinzu. Doch in den vergangenen zwölf Monaten musste der Staat immer wieder einspringen, um den Bankrott abzuwenden. Insgesamt sind aus den Lotterieinnahmen nun 628 Millionen Pfund in die Kuppel der Superlative geflossen: Zehn St.-Paul's-Kathedralen hätten darin Platz, zwölf Fußballstadien, 13 Albert Halls, die ägyptische Gaza-Pyramide, der quergelegte Eiffelturm oder 12,8 Millionen Bierfässer.

Was sich stattdessen in der Kuppel befindet, ist enttäuschend, darin sind sich die Besucher einig. Der Dome ist in 14 Zonen aufgeteilt, die bestimmten Themen gewidmet sind, wie Arbeit und Lernen, Geld und Kommunikation, Umwelt und der menschliche Körper, Glauben und Geist. Doch selbst die „Body Zone“, die als einmaliges Erlebnis angekündigt war, ist ernüchternd: Ein überdimensionales schlagendes Herz, Zeichentrickspermien, die auf die Wand projiziert sind, und ein Plastikhirn mit Doktorhut, das sechs anderen Plastikhirnen Witze erzählt.

Finanziell wäre die Rechnung nur aufgegangen, wenn zwölf Millionen Besucher in diesem Jahr bereit gewesen wären, 20 Pfund Eintritt hinzublättern. Doch musste die Zahl der erwarteten Besucher zunächst auf sieben und jetzt auf viereinhalb Millionen revidiert werden.

Dabei sollte der Dome ein „Schaustück für New Labours Vision von Britannien im nächsten Jahrtausend“ sein, so hatte Tony Blair großspurig erklärt, als er das Projekt 1997 von den Tories erbte. Zum Jahreswechsel wurde das Megazelt mit einer Show eingeweiht, die in 80 Länder live übertragen wurde, weil der Nullmeridian durch Greenwich verläuft.

Doch seitdem hat das Bauwerk nur Negativschlagzeilen gemacht. Die Tories, die den Dome ausgeheckt hatten, wollen ihn am liebsten sofort schließen. Doch die Kuppel vorzeitig zu schließen, wäre wegen der Vertragsstrafen töricht. Das meint auch David James, der am Mittwoch zum Vorsitzenden der „New Millennium Experience Company“ ernannt wurde, die die Kuppel betreibt. James ist Experte für hoffnungslose Fälle, er hat in den vergangenen 20 Jahren Dutzende von Firmen vor dem Bankrott bewahrt und nach eigenen Angaben 23.000 Arbeitsplätze gerettet. James sagt, der Dome hätte niemals gebaut werden dürfen und schon gar nicht in Greenwich.

James prophezeit, dass die japanische Bank Nomura das Geschäft ihres Lebens mache, wenn sie den Dome zum Jahresende für 105 Millionen Pfund bekomme. Die Japaner müssten die Kuppel 15 Jahre lang als Touristenattraktion erhalten. Im Jahr 2016 könnte Nomura die Kuppel abreißen und ein Geschäftszentrum nach Vorbild von Canary Wharf in den Docklands auf der anderen Seite der Themse bauen.

Nomura hat sich zu einem Großinvestor in England entwickelt. Die Bank hat 57.000 Grundstücke vom Verteidigungsministerium gekauft, betreibt 5.000 Wirtshäuser und eine privatisierte Eisenbahnstrecke. Das 25 Hektar große Gelände in Greenwich ist ihr spektakulärster und lukrativster Immobilienkauf. Wie man Geld vermehrt, lernt man auch in der „Money Zone“ der Kuppel: Bei einem Computerspiel sind 10.000 virtuelle Pfund zu investieren. Dann wird man von der Maschine informiert, dass man in fünf Jahren 140.000 Pfund besitze – oder gar nichts: „Es kommt darauf an, wo du investiert hast.“

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