leben in funnyland: YVES EIGENRAUCH über die königsblaue farbe rosa
plötzlicher speichelfluss
ich hatte schon immer eine gewisse sympathie für die farbe rosa. nicht nur, weil „in funnyland“ auch „in rosaland“ heißen könnte. rosa ist so beschwingend unbeschwert, positiv. so wie ein saftiges helles grün. wobei mein rosa nicht mit pink zu verwechseln ist.
erst gestern und heute konnte ich die wirkung spüren. was war ich durcheinander! meine frau hat sich einen rosanen pulli gekauft. einen kuschelpulli. der hat mich nicht zuletzt wegen seiner farbe vollkommen aus den schuhen gehauen. wieder musste ich mir darüber klar werden, dass ich ein junge, ich sollte lieber mann sagen, bin. sie vor mir stehen sehend, erhöhte sich mein speichelfluss ganz ungemein. das muss wohl sein.
wenn ich darüber nachdenke, ja dann gefällt mir das sogar.
ist aber auch schade. immerhin könnte es sonst sein, dass ich homosexuell wäre. folglich könnte ich postmodern werden und mich als ein solcher outen. war ja mal sehr populär, wenn auch nicht im fussball.
oft schon hörte ich, dass es homosexuelle spieler im profifußball geben muss. theoretisch. jeder soundsovielte mann ist laut statistik . . ., also auch irgendwo bei uns zu finden.
wenn ich fände, so habe ich vorher gesucht. und suchen müsste ich auch. konservativ, wie sich der sport nach wie vor darstellt, erführe die betreffende person sicherlich eine recht große ablehnung; oder es würde ihr zumindest recht distanziert begegnet. weshalb auch immer?
auch für mich gilt manchmal der spruch: was der bauer nicht kennt, frisst er nicht. wenn das essen auf jemand anders teller liegt, ok. aber auf dem eigenen? da bin ich mal wieder froh, dass ich als bauer die redewendung wortwörtlich auf mich beziehen kann. wo ist die sülze, wo sind die pommes?
als rosa könnte ich auch unsere fußballspezifische situation beschreiben. wenn es auch erst der vierte spieltag war, so besetzen wir die tabellenspitze. nach mehr als zwei jahrzehnten zum ersten mal. wenn auch die ersten gegner nicht die spitze der leistungsfähigkeit markierten. immerhin.
schön, dass sich die fans gestern morgen auf der arbeit nicht haben verspotten lassen müssen; so wie es in den vergangenen zwei jahren häufiger der fall gewesen sein wird. viele werden gerne zur arbeit gegangen sein. als tabellenführer der ersten liga. ich muss jenes betonen. erster der zweiten liga waren wir schließlich noch vor zehn jahren. passt doch. `90 rosa und `00 rosa. warten wir ab.
und ich? im elften jahr rosa. auch wenn ich im moment nicht von anfang an spielen darf. oder war es doch das muss? manches hat inzwischen die farbe gewechselt.
die radiokonferenzschaltung des wdr gibt es nicht mehr. zumindest nicht in den ersten spielhälften. geboten; verboten. die radioreportagen des geschehens, mit denen auch ich groß geworden bin. samstag nachmittag. sommer. garten. rasen mähen. doppelripp. spielen. beisammen sitzen. radio hören. wdr zwei. dietmar schott. wollte ich pathetisch werden, müsste ich von der sich auflösenden vergangenheit sprechen. ich bin aber rosa. ich bin, ich tue, ich werde.
danke sagen. auch premiere world. ohne es zu wissen, leistet der sender sozialarbeit. mit manchen entwicklungen können wir uns nicht anfreunden. eine existente oder aber erzeugte nachfrage der gesellschaft zu bedienen ist eine sache, die man auch fortschritt nennen kann (oder verarschung). verändert dieser fortschritt allerdings zu sehr die inhalte eines sportes, so wissen wir, dass er uns das beenden unserer aktiven zeit um einiges erleichtern wird.
vielen dank.
Autorenhinweis:yves eigenrauch, 29, ist angestellter des bundesligaersten schalke 04 und reflektiert die themen doppelripp, sülze, homosexualität in der konservativen fußballwelt und sogar die tabellenführung
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