„Stinkbomben ins Paradies“

■ Personalräte der kommunalen Kliniken machen Front gegen mögliche Privatisierung: „Krankenhäuser schreiben schwarze Zahlen“ / Kassen begrüßen Ernst & Young-Vorschläge

Über 500 Krankenhausbeschäftigte sind gestern gegen eine mögliche Privatisierung der kommunalen Bremer Kliniken auf die Straße gegangen. Rund 150 MitarbeiterInnen des Zentralkrankenhauses Links der Weser (LdW) kamen mit mehreren Spruchbändern: „Gesund mit billiger Hilfe“ steht auf dem größten. Der Schilderwald blühte: Vor „Nebenwirkung von Finanzgutachten“ wird gewarnt. „Wir lassen uns nicht PerScherfeln“, droht die ÖTV. „Aus Spaß wird Ernst & Young“ benennt eines den Anlass zum Protest – ein 100.000 Mark teures Ernst &Young-Gutachten, das die Klinikleitungen des LdW, ZKH Nord, St. Jürgen Straße und ZKH Ost gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Es schlägt die Privatisierung der Kliniken als private Gesellschaften unter dem Dach einer Holding vor. So könnten die kommunalen Kliniken besser und effektiver zusammenarbeiten.

Während die Beschäftigten das bezweifeln und zudem Arbeitsplatzabbau, Mitsprache- und Qualitätsverluste für Patienten und Personal befürchten, sagen Leute wie Uwe Premm, stellvertretender Krankenhaus-Chef in der St. Jürgens Straße: „Die Holding wäre der Kick“. Eine Dachgesellschaft könnte die privatisierten Kliniken effektiver und kostengünstiger führen.

Insbesondere die Politik würde unter einem solchen Management weniger direkten Einfluss haben – da sind sich alle Klinikchefs einig. Ob aber die vorgeschlagene Privatisierung tatsächlich der Stein der Weisen ist, wollen sie im Oktober doch noch überprüfen – denn auch die Umwandlung der Eigenbetriebe in private GmbHs koste Geld und personellen Einsatz. Ob und wie sich der langfristig rechnet, damit hat sich das Gutachten nicht befasst. Zudem heißt es darin auch: „Der Ist-Zustand hat sich bewährt.“

Aus den Krankenkassen kommt derweil Beifall. „Privatisierung wäre ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Karl Nagel vom Verband der Angestelltenkrankenkassen. Unwirtschaftliche Doppelfinanzierung von Leistungen wären dann vorbei. Beispiele, die auch in den Klinikleitungen gehandelt werden, liegen für ihn auf der Hand. Sie könnten die beiden – politisch gewollten – Kinderkliniken in der St. Jürgen Straße und LdW, ebenso die Neurologie und die Neurochirurgie in St. Jürgen und Ost und viele andere Bereiche betreffen. Aus Nagels Sicht müsste Bremen noch weiter gehen: „Auch die Krankenhausfinanzierung durch das Land sollte sich künftig an den Leistungen der Häuser orientieren, nicht an ihrer Bettenzahl.“

Den Beschäftigten der Kliniken, vom Pfleger bis zur Ärztin, leuchtet die Argumentation für eine Privatisierung unterdessen nicht ein. „Hier werden Stinkbomben ins Paradies geworfen“, so Personalratschef der St. Jürgen Straße, Thomas Hollnagel. Das Ziel, eine „zeitgemäße Organisation zu entwickeln, kann man nur begrüßen“, sagt zwar auch er. „Aber wieso braucht man dafür eine neue Rechtsform? Die Bremer Kliniken schreiben schwarze Zahlen.“ Zudem hätten die 8.000 MitarbeiterInnen der städtischen Kliniken bereits bewiesen, dass sie – auch in den Eigenbetrieben – Spielräume nutzen, berichtet die Personalvertreterin des LdW von einer Rahmenvereinbarung mit der Direktion. Die habe die Modernisierung von Arbeitsplätzen einvernehmlich vorangebracht – mit bundesweit beachtetem Erfolg: Die Klinik hatte die Krankenhausreinigung so umorganisiert, dass Private weder günstiger noch besser anbieten konnten.

Dass die Klinikleitungen das Gutachten noch nicht bewertet haben – und auch noch zurückhaltend mit ihrer Zustimmung sind – beruhigt die Personalvertretungen der Häuser unterdessen keineswegs. „Die Klinikchefs sind doch nicht der Nabel der Welt“, hieß es gestern auf der Personalversammlung. Letztlich entscheide die Politik, auch wenn Gesundheitssenatorin Hilde Adolf bislang noch zu keiner klaren Aussage gekommen sei. Die Personalräte gaben deshalb bekannt, selbst ein Gutachten über das Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Sie halten die Grundlage, auf der Ernst & Young ihre Expertise erstellten, für mehr als zweifelhaft. Das stellten sie gestern auch auf der Personalversammlung dar. Besonderen Applaus ernteten aber die Personalräte des ZKH Ost, als sie verkündeten: „Wir planen ein Gutachten über das Kosten-Leistungsverhältnisses der Direktion.“ ede