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Eisiges Abenteuer

Arved Fuchs folgt Polarforscher Shackleton in das antarktische Meer und verarbeitet seine Erlebnisse in einem Buch  ■ Von Henrik Gast

„Wer das polare Handwerk beherrscht“, sagt Arved Fuchs, „der betrachtet Expeditionen nicht immer als so gefahrvoll wie sie dem Normalbürger erscheinen.“ Manche Vorhaben sind jedoch sogar für Handwerker Fuchs an der Grenze: Eine Kunstausstellung in Bonn hat ihn zu einem solchen inspiriert. Er sah das Rettungsboot „James Caird“ mit dem der Polarforscher Ernest Shackleton 1915 nach einem Schiffbruch durch das antarktische Meer gesegelt war und beschloss, einen Teil dieser Reise nachzusegeln. Dafür ließ Fuchs die Nussschale von Shackleton nachbauen, nannte sie „James Caird II“ und stach im Januar diesen Jahres mit dreiköpfiger Crew in See. Die Reise führte ihn von Elephant Island zu der 700 Seemeilen entfernten Insel Südgeorgien.

Was er dabei erlebte, verarbeitete er zu dem Buch „Im Schatten des Pols“. Gestern stellte er es vor. „Es hat mich nicht gereizt, Shackletons Reise einfach nachzuerzählen.“ Er wollte die Reise nacherleben und fühlen, wie sich Shackleton gefühlt hat, als er von den meterhohen Wellen umhergeschleudert wurde.

Der Engländer Ernest Shackleton stach 1914 in Südgeorgien in See, mit dem Ziel die Antarktis zu durchqueren. Packeis schloss das Schiff ein und zerdrückte es. Die Mannschaft rettete sich, Gepäck und Rettungsboote auf Eisschollen. Die Meeresströmung trieb sie nach Norden in eisfreies Gewässer. Von hier ging es mit den Rettungsbooten weiter. Völlig entkräftet kamen sie auf Elephant Island an. Gerettet waren sie jedoch noch nicht, denn die Insel war menschenleer. Deshalb beschlossen Shackleton und fünf seiner Männer, zu einer Walfangstation nach Südgeorgien zu segeln. Diesen Teil des Abenteuers segelt Arved Fuchs mit ihnen, 84 Jahre später. In seinem Buch überlegt der Bad Bramstedter, ob es an dieser Stelle noch andere Rettungsmöglichkeiten gegeben hätte. Nach Kap Hoorn? Ausgeschlossen befindet auch Fuchs. Aber was ist mit den Inseln King George und Deception, die viel näher liegen? Fuchs kann es sich nicht erklären, warum Shackleton sich gegen sie entschied. „Wahrscheinlich wollte er seinen Männern nicht zumuten, wieder in Richtung Packeis zu segeln“, sagt Fuchs.

Und weil Shackleton so entschieden hat, schipperte auch Fuchs in Richtung Südgeorgien. Sein sieben Meter langes und zwei Meter breites Boot war in den bis zu 25 Meter hohen Wellen nur ein Spielzeug. Nur 22 Millimeter dick waren die Planken des Bootes, eben originalgetreu. „Die Eisberge waren enorm gefährlich“, sagte Fuchs. „Das Wasser hat Höhlen in sie hineingewaschen, die leicht ein Segelschiff verschlucken können.“ In Südgeorgien angekommen wanderten er und seine Crew innerhalb einer Woche zu der Walfangstation Stromness.

Shackleton machte dieses Abenteuer zu einem geadelten Nationalhelden. Und Fuchs zum Autor eines gut lesbaren Buches.

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