: Olympisches Feuerwasser
Die Fackel hat bei der Abkühlung im Sportdom von Sidney glücklich gelächelt
Gegen 11 Uhr 30 gestern (MESZ) war das Schnellboot im Hafen von Sydney aufgetaucht. Darauf, raunten sich alle Wissenden zu, war sie verborgen: die Fackel. Das brennende Symbol Olympias. Das weltweit wichtigste Objekt sportiver Zeremonie. Nur wer würde Mr. X oder Mrs. Y sein? Wer würde sie apportieren im großen D-Moment: beim Entzünden des Feuers im Stadion.
Die Identität der Fackelträgerin wurde gehütet wie kaum ein Staatsgeheimnis. War es womöglich schwer, einen Freiwilligen zu finden? 1956 in Melbourne, bei Australiens erster Olympiade, verbrannte sich schließlich der Langstreckenläufer Ron Clark als Schlussträger den Arm.
Der erschöpften Fackel 2000 selbst war, so gesicherte taz-Informationen, nach 27.000 Kilometer Weg und 100 Tagen der letzte Träger egal. Allein seit der Ankunft in Sydney am Montag hatten 800 Paar Hände ihren Schaft betatscht. Eine weite Schar aus Kultur und Körperertüchtigung: Olivia Newton-John, Patrick Rafter, Daley Thompson, Bobprinz Albert von Monaco, Andrea Bocelli.
Frühere Fackeln kennen das. Was hatten sie schon über sich ergehen lassen müssen! In Moskau 1980 legte Maskottchen Mischa letzte Hand an, Los Angeles konterte die Russen 1984 mit einem Raketenmann aus, die erste Frau hatte 1968 die Ehre gehabt, der erste Kranke war vor vier Jahren Boxlegende Muhammad Ali, der mit zitternder Parkinson-Hand den Fackelschaft umgriff. Eine großer, tränenrührender Moment.
Das hatten die Aussies zu kontern. Nur wie, mit wem? Würde Greg Norman mit Holz 1 einen zündelnden Golfball quer durchs Stadion schießen, um einen Flammenbottich auflodern zu lassen. Oder würde es eine der vielen Muskellegenden des Sportlandes sein? Nachteil: Sie sind im Rest der Welt weniger bekannt, wie etwa Betty Cuthbert, die 1956 als 18-Jährige drei Mal Sprintgold abräumte und heute im Rollstuhl sitzt. Ein Aborigines-Fürst? Oder doch eine Herde dressierter Känguruhs? Im Taronga-Zoo drängelte sich schon am Mittag ein leicht verwirrter Koala danach, die Fackel auf dem Weg ins Stadion zu berühren.
And the winner was: Cathy Freeman, aktuelle 400-Meter-Heroin. Und Aborigine. Politisch überkorrekt. Um 14 Uhr 07 machte sie ein Wasserbecken brennen. Harmonie der Elemente. Die Fackel hat kurz gelächelt.
BERND MÜLLENDER
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