piwik no script img

Verweigerer wehren sich

Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer protestiert gegen die Benachteiligung von Zivildienstleistenden durch die geplante Wehrreform. Ihr Rat: Antrag erst nach Einberufung

von CHRISTIAN RATH

Die Oppositionspartei FDP hat gestern über ihre Position zur Wehrpflicht beraten. Von größerer praktischer Bedeutung ist jedoch eine Aktion der Bremer Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdientverweigerer (Zentralstelle-KDV). Sie ruft potenzielle Kriegsdienstverweigerer dazu auf, „ihren Antrag erst dann zu stellen, wenn sie tatsächlich zum Wehrdienst einberufen wurden“. Die Einberufungsquote würde dadurch stark reduziert, die Legitimität der Wehrpflicht weiter sinken.

Die von Pazifisten, Gewerkschaften und evangelischen Kirchenkreisen getragene Zentralstelle reagiert mit dieser Aktion auf die ihrer Meinung nach „verfassungswidrigen“ Pläne zur Reform der Bundeswehr. Die Zentralstelle hat errechnet, dass ab 2002 pro Jahr nur noch 88.000 junge Männer zur Bundeswehr einberufen werden können. Dem stünden aber (heutige Verhältnisse fortgeschrieben) rund 180.000 taugliche Wehrpflichtige gegenüber, die nicht verweigern. Mit einer Einberufung müsste also nur jeder Zweite von ihnen rechnen. „Schon deshalb ist die Wehrpflicht nicht mehr zu halten, von Wehrgerechtigkeit kann keine Rede sein“, konstatiert Peter Tobiassen, der Geschäftsführer der Zentralstelle.

„Erst recht verfassungswidrig“ sei die Regelung aber, so die KDV-Zentralstelle, wenn man auch die Kriegsdienstverweigerer in den Blick nehme. Die 117.000 Dienstposten seien heute schon nicht voll besetzt, nach einer Verkürzung des Zivildienstes würden die Lücken eher noch größer. „Es wird also weiterhin jeder Verweigerer seinen Dienst antreten müssen“, folgert Tobiassen. „Wenn man eine Wehrpflicht akzeptiert, bei der sich die Bundeswehr nur die Geeignetsten auswählt, dann dürfte für den Zivildienst nichts Anderes gelten.“ Tobiassen verweist auf das Grundgesetz, das eine Benachteiligung von Zivildienstleistenden ausdrücklich verbietet.

Die Zentralstelle will nun aber keinen langwierigen Streit zum Verfassungsgericht tragen. Sie ruft vielmehr alle Kriegsdienstverweigerer dazu auf, die Ungleichbehandlung einfach zu unterlaufen. Nur wer aus persönlichen Gründen gerne Zivildienst leisten will, soll seinen KDV-Antrag weiterhin frühzeitig stellen. Alle anderen, so der Aufruf, können mit ihrem Antrag warten, bis sie tatsächlich den Einberufungsbescheid erhalten haben (siehe Kasten). „Wer den Zwangsdienst vermeiden will, hat so recht gute Chancen, gar nicht erst ausgewählt zu werden,“ empfiehlt Peter Tobiassen.

Wenn dieser Aufruf Erfolg hat, wird das auch Rückwirkungen auf die Bundeswehrreform haben. Die Einberufungsquote dürfte so nämlich deutlich unter 50 Prozent eines Jahrganges sinken. „Dann wird noch deutlicher sichtbar, wie ungerecht die Wehrpflicht künftig ist“, freut sich Peter Tobiassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen