: Womöglich Kulturschocks
■ Das Filmfest bietet heute drei, nicht vier koreanische Filme
Seit nunmehr rund fünfzehn Jahren wartet man auf den endgültigen internationalen Durchbruch des südkoreanischen Kinos. Worauf man wohl noch warten muss: Nicht, weil's die Filme nicht brächten – im Gegenteil, wie man an Hand von The Isle, Memento Mori, und Happy End feststellen kann –, sondern weil's schlicht keine korea-spezifischen Klischees gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass in Südkorea die markttechnische Unterscheidung zwischen Arthouse-Filmen und Kommerzware quasi inexistent ist und die Filme zu 99 Prozent solche sind, die der Westen in den „verwandten“ Filmkulturen Japan und China oft gelassen übersieht, zu Gunsten von „reinen“ Kunstfilmen und/oder „reinen“ Kommerzfilmen.
Womit man dem Publikum eigentlich perfekte Filme vorenthält. Andererseits muss angesichts einiger aus Venedig kolportierter Reaktionen auf Kim Ki-Duks The Isle (2000) dann zumindest konstatiert werden, dass sich gewisse Rezeptionsdifferenzen nicht verleugnen lassen: Europäer und Nordamerikaner brechen schon mal während einer Vorführung zusammen oder müssen plötzlich kräftig kotzen, wenn mit Angelhaken in diversen Körperöffnungen herumhantiert wird. Ähnlich wie bei Takashi Miikes Audition (1999) übersieht man bei Kims Meisterwerk ob all der Heftigkeiten oft seine Vielschichtigkeit wie schiere inszenatorische Brillanz.
The Isle ist eine dichte Studie über Obsessivität, in der die Grenzen zwischen Liebe und Begierde, Blendung und Vision, Erhabenheit und Exstase mehr und mehr verschwimmen. An gewisse Grenzen stößt man auch in Memento Mori: Kann Schule so völlig derart herbe hardcore sein? Ja. Auf dem diesjährigen Fantasy Film Fest konnte man schon den Auslöser für den südkoreanischen Schulfilm-Boom bewundern: Whispering Corridors von 1999. Memento Mori nun ist weniger ein Rip-Off dieser wahnwitzig erfolgreichen Low Budget-Perle, sondern vielmehr eine Vertiefung: des Leidens in wie an der Schule als Symbol für die Korruption von Körper und Seele in der Pubertät. The Isle ist der durchschlagende Beweis dafür, dass Südkorea im Augenblick „der“ Kino-Ort weltweit ist, und wohl auch in Zukunft bleiben wird — Memento Mori und Happy End zeigen, warum: der handwerklichen wie inszenatorischen Intelligenz auf allen Ebenen wegen.
Olaf Möller
The Isle: heute, 22.30 Uhr, Abaton + 30.9., 17.15 Uhr, Cinemaxx; Happy End: heute, 22.15 Uhr, Zeise + 1.10., 22.30 Uhr, 3001; Memento Mori: heute, 22.30, 3001; The Foul King fällt aus
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen