Filmstarts à la carte: Blumengeschmückte Krokodile
Der Siegeszug des Computers scheint mittlerweile im Bereich der Animation kaum noch zu verhindern. Die unerschöpflichen Möglichkeiten, einerseits zeit- und kostenintensive Arbeitsvorgänge erheblich zu vereinfachen und andererseits besonders aufwändige Szenerien digital erst zu schaffen, sind einfach zu verlockend. Vorerst schlechte Karten also für Zeichentrickkünstler, die noch immer auf Handarbeit bestehen. Wie etwa Curt Linda, der vor kurzem noch mit seiner freien Bearbeitung von Mozarts Zauberflöte reüssierte. Seinen Klassiker schuf Linda allerdings bereits 1969: „Die Konferenz der Tiere“, eine vom guten alten Pazifisten Erich Kästner erdachte Fabel um Tiere aller Arten und Kontinente, die sich zusammentun, um zum Wohle aller Kinder von den Erwachsenen den Weltfrieden einzufordern. Folglich zernagen die Mäuse den ewig schwafelnden Politikern die Akten, und die Motten machen aus gleichförmigen Uniformträgern wieder nackte Individuen. Etwas naiv ist das schon, mit blumengeschmückten Krokodilen und der All-You-Need-Is-Love-Mentalität, doch die späten 60er waren nun einmal das Zeitalter von Love & Peace. Dazu passend zeichnet sich Lindas Film durch kräftige Farben und hohe Musikalität aus.
„Die Konferenz der Tiere“ 28.9.- 4.10. im Sojus Die Geschichte ist durch und durch britisch - wie sie sich der Franzose Jules Verne vorstellte: mit viktorianischen Gentlemen in snobistischen Clubs, wo Frauen keinen Zutritt haben, der Whisky selbstverständlich nur ohne Eis getrunken wird und die Herren absurde Wetten pflegen. Das Filmprojekt hingegen kommt ganz und gar amerikanisch daher: in Technicolor, Superbreitwand und mit buchstäblich Dutzenden von Stars. „In 80 Tagen um die Welt“ (1956) ist pures Produzentenkino, das dem „Showmanship“ des nachmaligen Elizabeth-Taylor-Gatten Mike Todd weit mehr verdankt als der soliden aber braven Regie Michael Andersons. Im Zweifel heißt es also: klotzen statt kleckern. Hier wurden keine Ausgaben und Mühen gescheut, und das soll man auch sehen - was nicht nur die vielen netten Postkartenansichten exotischer Schauplätze belegen. Dass die kunterbunte Abenteuergeschichte trotzdem menschlich bleibt, liegt am Musterbriten David Niven, der den Weltreisenden Mr. Fogg mit Understatement und Sinn für Selbstironie verkörpert.
„In 80 Tagen um die Welt“ 30.9.-1.10. im Kant Das klassische Musical ist unwiederbringlich tot. Doch überraschenderweise gab es in letzter Zeit viele Regisseure, die sich dem Genre auf kleinen Umwegen wieder näherten: Kenneth Branagh mit seinem Shakespeare-Musical „Verlorene Liebesmüh‘“ und Nicholas Hytner mit dem Tanzfilm „Center Stage“. Vorreiter dieser „Welle“ aber war Woody Allen, der 1997 in „Alle sagen: I Love You“ seine Protagonisten mit ihren Liebeshändeln nicht nur an Musical-typische europäische Schauplätze führte, sondern seine Neurotiker auch noch singen und tanzen ließ. Und weil sie dies mit höchst unterschiedlichem Können und Erfolg tun, liefert Allen die Parodie gleich mit: Die Choreographien erinnern teilweise stark an asiatische Action-Kracher, wo die Helden an Stahlseilen gezogen durch die Luft wirbeln. Wer es hingegen weniger heiter mag, dem sei an dieser Stelle Lars von Triers „Dancer in the Dark“ ans Herz gelegt, eine Art Meta-Musical, in dem Musik und Tanz der Heldin Selma (Björk) als Flucht aus der bedrückenden Realität dienen. Und nicht von ungefähr ist ihr Lieblingsmusical „The Sound of Music“: die Geschichte einer Emigrantin, die in Amerika ihr Glück findet. Was man von Selma nicht gerade behaupten kann.
„Alle sagen: I Love You“ 4.10. im Arsenal; „Dancer in the Dark“ 27.9. im CinemaxX Colosseum; 28.9.- 4.10. im Delphi, International, Odeon und York
Lars Penning
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