Wohnzimmermusik

■ Das Eroica-Quartett und Robert Levin spielten Kammermusikbearbeitungen

Die Bearbeitung von Musikwerken hat in der Geschichte der Musik eine sehr lange Tradition. So wurden Solo- und kleinere Werke auf andere Instrumente übertragen, außerdem gab es ohne Ende Bearbeitungen von Opern und Sinfonien für Klavier und für Bläser aus kommerziellen Gründen: Diese Musiken waren leicht zu verkaufen und sie wurden in der Regel von den Komponisten selbst hergestellt.

Der ein Jahrhundert später von Arnold Schönberg ins Leben gerufene „Verein für musikalische Privataufführungen“ hatte den Zweck, zeitgenössische Musik bekannter zu machen, in dem man sie in Kammermusikbearbeitungen vorstellte. Nun gab es beim Bremer Musikfest zwei Unika: Ludwig van Beethovens 2. Sinfonie für Klaviertrio (!) und sein viertes Klavierkonzert für Klavier und Streichquintett. Ersteres hat er geschrieben und herausgegeben, um Geld zu verdienen.

Das Klavierkonzert jedoch wurde nicht gedruckt, weil es eine private Bitte des Widmungsträgers, des Fürsten Lobkowitz war: Der wollte „sein Stück“ in seinem Wohnzimmer hören und nicht immer ein Orchester bezahlen müssen. In all diesen Fällen wird man das Argument, es handele sich ja um die Bearbeitungen des Komponisten selbst, wohl relativieren müssen, weil alle Gründe keine künstlerischen, sondern ganz schlicht pragmatische sind.

Trotzdem oder gerade deswegen ist es spannend, einmal auf diese heute selten gespielte Musik zu treffen, umso mehr, wenn die InterpretInnen zu den ersten ihres Faches gehören. Und da ist an erster Stelle Robert Levin zu nennen, ein von Grund auf neugieriger Pianist, der alles Mögliche ausgräbt und damit experimentiert oder gar improvisiert. Sein Hammerflügelspiel ist zudem von faszinierender Klarheit, von impulsivem Schwung und in der Kammermusik von sensibelstem dialogischem Charakter.

Die ersten Takte der zweiten Sinfonie für Klaviertrio klingen zuerst einmal einfach komisch, hat man sich aber dann an das andere Klangbild gewöhnt, so hört man durchaus auch andere Strukturen. Das Konzert für Klavier und Streichquintett überzeugte weniger, auch wenn Beethoven noch und nöcher neue Ideen besonders für den Klavierpart einfließen ließ.

Für beide Interpretationen wie auch für das (originale) „Harfenquartett“ op. 74 baute das britische „Eroica-Quartett“ eine brodelnde Spannung auf. Es war durchweg faszinierend, wie die vier Musiker (Robert Hanson, Lucy Howard, Gustav Clarkson und David Watkin) sich in bester aufführungspraktischer Manier im Sinne von Sprache die Partikel zuwarfen, auf der Basis einer federnden Rhythmik einer dramatischen Organik freien Lauf ließen (ein besonderes Lob dem Cellisten!).

Fazit dieses musikalischen Experiments: Einerseits war das Konzert ein gut informierendes Erlebnis, andererseits muss so etwas nicht unbedingt sein. Große Begeisterung beim Publikum in der restlos ausverkauften oberen Halle des Bremer Rathauses.

Ute Schalz-Laurenze