: Auf goldenen Pfaden direkt in den Kreml
Wo Moskaus Zaren einst Recht sprachen, waltet ein international wegen Geldwäsche gesuchter Geschäftsmann
MOSKAU taz ■ „Auf ungerechte Richter wartet die Hölle ...“ mahnt ein Wandgemälde im Facettensaal des Kreml. Nicht zufällig beginnt hier Wiktor Stolpowskich, Chef der Firma Mercata Trading, mit einer exklusiven Führung für eine kleine Gruppe von Journalisten. Zweieinhalb Jahre haben das Moskauer Unternehmen Mercata und seine Schweizer Partnerfirma Mabetex gebraucht, um die Residenz der Zaren wieder genauso herzurichten, wie sie 1896 zur Krönungsfeier Nikolaus II. aussah.
In den 30er-Jahren hatte Josef Stalin den Thronsaal mit Beton zugekleistert, um daraus einen Sitzungssaal für den Obersten Sowjet zu machen. Die darunter zutage tretenden Fundamente erwiesen sich als hohl. Einsturzgefahr drohte, die Mercata glücklich abwenden konnte. Die Intarsienarbeiten des Parketts – aus über 30 seltenen Holzarten – zeugen von großer Liebe zum Detail. Bei der Rechnungslegung – so behaupten internationale Ermittler – ließen die Verantwortlichen der Firma diese dann vermissen. „Alles unbewiesen“, winkt Restaurator Stolpowskich ab. „Krämerseelen!“, spricht dabei seine Miene: „Seht ihr nicht, was geleistet wurde!“
Mit 55 Kilo Blattgold wurde das Sakrifizium verbrämt. Auch sonst ist alles echt. Nur die zu schweren Malachitsäulen wurden durch Imitate ersetzt, ja, und der Hermelinüberwurf auf dem Thron. „Wegen der Tierschützer!“, lacht Stolpowskich, der sich auf dem blanken Bankett sportlich bewegt wie ein Eishockeyprofi. Nur der hin und wieder frech aus der Manschette vorlukende Chronometer deutet auf eine intimere Swiss-Connection hin.
Die gigantische Leistung hatte ihren Preis, ein Auftragsvolumen von 300 Millionen Dollar. Als Ersten verdächtigte der Genfer Untersuchungsrichter Daniel Devaud den ehemaligen Chef der Liegenschaftsverwaltung des Kreml, Pawel Borodin, er habe der Firma Mabetex Aufträge gegen 25 Millionen Dollar „Komission“ zugeschanzt. Borodins Stellvertreter war damals übrigens Wladimir Putin, Russlands heutiger Präsident.
Seit Mai steht nun auch der 37-jährige Stolpowskich auf der Fahndungsliste Interpols. Er wird der „Beteiligung an organisiertem Verbrechen“ und der „Geldwäsche“ verdächtigt. Die Schweizer Justiz vermutet, er habe weit überhöhte Rechnungen ausgestellt und den Extraprofit seinen Auftraggebern im Kreml zugeschustert.
Aber Moskaus Strafverfolgungsbehörden überstürzen nichts. Stolpowskich kann in die Offensive und im Kreml ein und aus gehen. Mehr als rechtliche Konsequenzen beunruhigen ihn denn auch die 30 Millionen US-Dollar, die auf seinen Schweizer Konten eingefroren wurden. Ihretwegen bezeichnet er sich als „Opfer der Schweizer Justiz“. Ermittler Devaud in Genf sei auf ein Angebot zur Kooperation nicht eingestiegen: „Irgendetwas will er von mir. Aber was, wenn nicht meine Unterlagen?“, schmunzelt Stolpowskich. „Mein Geld vielleicht ?“
Könnte es gar sein, so argwöhnt der Unternehmer, dass sich Genf vor den Karren der Konkurrenz spanne? Auf Stolpowskich wartet nämlich schon ein weiterer satter Auftrag: das Bolschoi-Theater. Solange das Schweizer Verfahren jedoch in der Schwebe hängt, zögert das Kulturministerium damit.
Zwei Tage nach dieser exklusiven Führung sieht es plötzlich so aus, als erhielte Stolpowskich unverhofft Zugang zu seinen Konten. Ein Genfer Gericht hat die Verfügung der Bundesanwaltschaft aufgehoben. „Ein Sieg der Gerechtigkeit!“, triumphiert diesmal Stolpowskich, als habe er’s geahnt. Schon im Thronsaal schien er ihn ja ganz zu seinen eigenen Gunsten zu interpretieren, den Spruch mit den „ungerechten Richtern“. Doch abends ist der Geldhahn wieder zu. Ermittler Devaud hat erneut zugeschlagen. KLAUS-HELGE DONATH
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