: Teurer Arbeitskampf um internationalen Billiglohn
■ Boykott des griechischen Frachters MS Anthea ohne Tarifvertrag gestern beendet
Der im Bremer Hüttenhafen von Hafenarbeitern vorübergehend boykottierte griechische Frachter MS Anthea ist gestern Mittag wieder unter Segel gegangen. Ungefähr zeitgleich wurde das Arbeitsgerichtsverfahren, mit dem die Hafenbetreiber den Boykott stoppen wollten, mangels Anlass – sprich: mangels Schiff, das noch länger vor Ort wäre – beendet. Nach längerem Feilschen kam ein Vergleich „unter Aufrechterhalten aller Rechtspositionen“ heraus.
Zuvor hatten die Unternehmer der Weserport GmbH, deren Beschäftigte sich am Boykott beteiligt hatten, lange um möglichst wenig Gesichtsverlust gerungen. Ihre größte Sorge: „Morgen schreiben die Zeitungen 'Vergleich' – und alle denken wir sind eingeknickt“, so ein Unternehmervertreter. Entsprechend lange suchte sogar die Richterin nach einer Möglichkeit, die rund 1.000 Mark schwere Gerichtskostenfrage schonend zu lösen. Der Weserport-Vertreter nämlich trug vor, dass zusätzliche Kosten – neben der Vergleichs-Schmach – „hausintern sehr auffällig“ wären. Strittige Blockademethoden – von „Kräne besteigen“ bis „Notknopf-Drücken“ versus „So was haben wir nie gemacht“ – wurden dank Vergleichs gestern ausgeblendet.
Einen vollen Erfolg verzeichnet aber auch die Transportarbeitergewerkschaft ITF nicht: Das Schiff unter zypriotischer Billigflagge lief aus, ohne dass der eigens aus Griechenland angereiste Reeder einen Tarifvertrag unterschrieben hätte. So bleibt es für die 24-köpfige Besatzung der MS Anthea dabei, dass ihre Heuer von 680 US-Dollar auch künftig um rund 300 US-Dollar unter den international vereinbarten Mindestlöhnen liegt.
Außerdem hatten Hafenarbeiter von Weserport und Stahlwerken mit dem Beladen des Frachters bereits am Donnerstag begonnen. „Arbeitgebervertreter hatten die Belegschaft unter Druck gesetzt“, so ITF-Mann Blanke. Er wertete den Boykott über vier Schichten hinweg dennoch als „gelungene Aktion“. Immerhin hätten sich die Gewerkschaften IG Metall, ÖTV und ITF gemeinsam daran beteiligt. „Mit den durch den Boykott aufgelaufenen Kosten hätte der Mann mehrere Jahre lang tarifliche Heuer zahlen können“, kalkulierte Blanke. Außerdem werde der Frachter, dessen Matrosen überwiegend aus den Philippinen stammen sollen, im italienischen Zielhafen Ravenna bereits von weiteren ITF-Vertretern erwartet. „Der Kapitän des Frachters, der in Bremen Stahl an Bord nahm, steht unter enormem Zeitdruck.“
Ganz ausgestanden ist der Konflikt um die Gewerkschaftsaktivitäten zugunsten tariflicher Heuer von internationalen Seeleuten damit allerdings noch nicht. In der kommenden Woche wird ein weiteres Verfahren das Bremer Arbeitsgericht beschäftigen. Die Bremer Stahlwerke nämlich hatten den Gewerkschaftsvertretern erst Zutritt zum Frachter – über Stahlwerkegelände hinweg – gewährt, nachdem ITF-Anwalt Jürgen Maly mit Anzeige gedroht hatte. Später hatte ihm eine einstweilige Verfügung den Zutritt zum Schiff garantiert – wogegen die Stahlwerke aber Widerspruch eingelegt haben. Ihnen könnte es dabei um eine grundsätzliche Entscheidung gehen. ede
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