: Moorhuhnjagd auf Australisch
Online finden die Olympischen Spiele kaum statt. Der US-Sender NBC sitzt auf den Übertragungsrechten, für die Internetdienste bleiben so nur dürre Daten, Fakten und Videospielchen von vorgestern. Doch jetzt hat das IOC die neuen Medien entdeckt
von NICOLA HOCHKEPPEL
Leider gibt es immer noch keine Studie, ob die Internet-Deutschen weniger Sport treiben. Den wahren olympischen Geist erleben sie trotz Sydney 2000 jedenfalls garantiert nicht online.
Was am US-Sender NBC liegt, der 1995 die Übertragungsrechte der Olympischen Spiele bis 2008 gekauft hat – inklusive der Onlinenutzung. Die lässt er aber ungenutzt liegen, vermarktet wird Olympia lediglich im TV.
Zum Gähnen
Nun wollen sich die Onlinedienste natürlich doch nicht ganz ohne olympische Weihen bescheiden, aber was im Netz statt des unübertragbaren Großereignisses blüht, verführt wie die nächtlichen Liveübertragungen im Fernsehen in erster Linie zum Gähnen: Neben dem obligatorischen Medaillenspiegel und Newshäppchen konzentrieren sich die meisten Dienste auf erlebnisorientierte Zerstreuungskultur. Und das bedeutet einfachste Computerspiele, wie zum Beispiel „puls“ bei sportgate.de oder „Das grosse Kraulen“ bei web.de.
Zu gewinnen gibt es meistens auch etwas, das erhöht schließlich die Zugriffsraten. Teilnehmen kann nur, wer sich vorab registriert hat, denn das bringt Data-Mining: Der sportliche Websitebesuch wird aufgezeichnet, ausgewertet und dann an Werbeagenturen weitergereicht.
Während ard.de immerhin die Moorhuhnjagd auf Australisch bringt – hier wird mit Bumerangs auf Känguruwürmer gezielt –, orientieren sich zdf.de und sportal.de eher am Uralt-Verkaufsschlager „Die Olympischen Spiele“ aus längst verblichenen C64er-Zeiten. Die Teilnehmer der ZDF-„NetolympiX“ können bei Romantik aus der Frühzeit des Telespiels dabei nicht mal mit dem Joystick springen, werfen oder laufen, sondern müssen die Tastaturen ihrer Computer quälen.
Chats mit Sportlern, attraktiven Sternchen und anderen Nutzern finden sich bei nahezu jedem Onlinedienst. Inhaltlich bewegt sich das zwischen Sport-Bild und Gala. Besonders beliebt sind derzeit auch Fotogalerien der einzelnen AthletInnen, die dümmsten Bildunterschriften textet hier t-online.de: Beim „Badespass mit Michael Gross“ stehen unter den Fotos der Schwimmerin Kerstin Kielgaß (natürlich im Badeanzug) dann solche Perlen wie „Bei dieser Figur wäre ein Ganzkörper-Schwimmanzug wirklich schade.“ oder „Nass gemacht.“ Hihihi.
Da hat die sport.de-Schachmeisterschaft noch den größten Charme, hier kommt auf einmal wahrer olympischer Geist auf. Schade nur, dass Schach keine olympische Disziplin ist.
Die netzeitung.de hingegen hat die Gunst der Stunde erkannt und extra ihren eigentlichen Starttermin von Anfang Oktober auf Spielebeginn vorverlegt.
Aber wie bereitet man ein Sportereignis auf, das von seinen direkten und spannungsgeladenen Livewettkämpfen lebt? Natürlich versuchen alle Anbieter, die bestehenden Beschränkungen so attraktiv wie möglich zu umschiffen, letztendlich wird jedoch durch Chats und Spiele kein Mehrwert geschaffen.
Dafür sind die Olympischen Spiele 2000 im Netz eine Kostprobe des kommenden medialen Overkills, gerade weil das Wesentliche – bewegte Bilder – noch gar nicht zu sehen ist. Mit höheren Datenübertragungsraten sollte sich das schon bald erledigt haben.
IOC entdeckt Internet
Anscheinend hat das IOC den Schuss gehört: Anfang Dezember findet in Lausanne die Konferenz „IOC and New Media“ statt. Dort wird dann über Breitbandtechnologien, Internet und interaktives Fernsehen debattiert – und verhandelt. Bernd Röder, der Geschäftsführer des Nationalen Olympischen Komitees geht jetzt schon davon aus, dass es eine „zweite Medienschiene geben wird“, die natürlich „konform gehen wird mit den bestehenden Verträgen“. Und dann finden die Olympischen Spiele auch endlich in der virtuellen Realität statt.
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