: Singen bis der Arzt kommt
■ Finanziell ist das Musical gegen alles gefeit, technisch nicht
Und wenn sie nicht gestorben ist, blutet sie noch heute: Die Hure Lucy wurde vorgestern zwar wie üblich von Mr. Hyde mit dem Messer verletzt, aber auf die allabendliche Rettung durch dessen Alter Ego Dr. Jekyll wartete sie vergeblich. Das Podium mit Lucys Zimmer fuhr nur halb über die Bühne und blieb einen halben Meter über dem Boden in der Luft hängen – Stromausfall; eine Pause, die nicht im Programmheft stand.
Der Grund lag nicht am Richtweg: Den Erschließungsarbeiten für das neue KPS-Gebäude an der Contrescarpe sollte ein Baum weichen. Schon am Nachmittag durchtrennte eine Baggerschaufel dabei ein Stromkabel. Als um neun Uhr abends Techniker zur Reparatur anrückten, lohnte sich der Einsatz richtig: Der Baggerführer hatte inzwischen auch noch ein Starkstromkabel beschädigt, der Baum dagegen stand noch. Rund ums Siemenshochhaus floss danach für eine Stunde kein Strom. Ampeln fielen zum Teil bis zum nächsten Morgen aus. Im „Tower“ mussten die frisch gebackenen Bandwettbewerb-Sieger „Polarstern“ ihr Konzert abbrechen und ihre Fans auf Montag vertrösten (21 Uhr).
Das Musical war dagegen nur mittelbar betroffen: Nach dem Kabelschaden schaltete sich ein Teil des Bremer Stromnetzes automatisch ab. Innerhalb von zwei Sekunden gingen die unbeschädigten Leitungen wieder in Betrieb. Dabei kam es zu einer kurzen „Spannungs-spitze“, die dem so genannten „Achsrechner“ auf der Jekyll-Bühne den Garaus machte. Anders als die großen Kontrollrechner ist der Computer, der die Achse des Podiums steuert, nicht Akku-gesichert. „Es war einfach Pech, dass der Strom gerade während des Umbaus ausfiel“, sagt der technische Leiter Harald Schäfer, „sonst wäre nichts passiert“.
So konnte das Musical nur noch konzertant, also ohne Bühnenspiel, weitergehen. Das Publikum erhielt Gutscheine für eine weitere Vorstellung; sogar über eine Entschädigung für Anreise- oder Hotelkos-ten wird nachgedacht. „Für solche Fälle haben wir eine Versicherung“, sagt Sprecherin Alexandra Damm, „die muss sich dann gegebenenfalls mit der swb auseinander setzen.“ Dort weist man jede Schuld von sich: „Schließlich haben wir den Bagger nicht bestellt“, stellt Angela Dittmer klar, „und kein Stromversorger der Welt garantiert hundertprozentige Sicherheit“. Demnächst will die swb einen neuen Service anbieten: Notstromaggregate inklusive Wartung.
Für das Musical kommt das zu spät, aber falls die Versicherung nicht zahlt, steht ja ohnehin die Stadt für die Verluste gerade. Es sei denn, die vorgestern verteilten Gutscheine treiben die Auslastung derart in die Höhe, dass die städtische Garantiepflicht entfällt ... jank
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