Erleichterung in Montenegro

Ein Krieg zwischen der Teilrepublik und Serbien scheint seit dem Sieg der Opposition in Belgrad gebannt. Montenegros Führung bleibt aber auf Distanz

aus Sarajevo ERICH RATHFELDER

Der Krieg in Montenegro ist abgewendet. Erleichtert erklärte der Präsident des Landes, Milo Djukanović, nach dem Sturz Milošević’ und der Vereidigung Koštunicas in Belgrad, jetzt könne mit politischen Mitteln über die Zukunft – die Unabhängigkeit – des Landes entschieden werden.

Was das Verhältnis zu der neuen Belgrader Führung empfindlich stören dürfte: Djukanović’ Demokratische Partei der Sozialisten (PDS) weigert sich, die Resultate der Wahlen für Jugoslawien anzuerkennen. Zuvor hatte die Regierung die Wahlen bereits boykottiert, die nach deren Auffassung nur durch einen Verfassungsbruch zustande gekommen sind. Das Wahlergebnis anerkennen hieße, die von Milošević im Juli dieses Jahres verfügten Verfassungsänderungen zu legitimieren.

Verärgert ist die Regierung auch darüber, dass Koštunica Verhandlungen mit ihren innenpolitischen Gegnern, den ehemaligen Pro-Milošević-Kräften aufgenommen hat. Weil die von dem ehemaligen Premierminister Jugoslawiens, Momir Bulatović, angeführte Opposition in Montenegro an den Wahlen teilgenommen hat, sind ihr auch sämtliche montenegrinischen Sitze im Parlament zugefallen. Und diese Stimmen braucht das Oppositionsbündnis DOS, um die Mehrheit im Parlament zu erreichen.

Auf Distanz zu Belgrad ging die montenegrinische Regierung aber auch, weil Koštunica vor den Wahlen eine staatliche Unabhängigkeit für Montenegro sowie den Präsidenten Djukanović nicht anerkennen wollte – wie Milošević zuvor auch schon.

In der bislang Djukanović stützenden Sozialdemokratischen Partei heißt es, dass erst mit der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Rechte der Repubik Montenegro die Spannungen zwischen Belgrad und Podgorica abgebaut werden können. „Es ist Zeit, über diese Angelegenheiten zu reden“, erklärte ein Parteisprecher, „ die montenegrinische Bevölkerung braucht eine öffentliche Diskussion, um sich ein Bild über die zu treffenden Entscheidungen zu machen.“ Die Sozialdemokraten würden auf keinen Fall hinnehmen, dass es zu heimlichen Absprachen zwischen Djukanović und Koštunica kommt, die den Willen der montenegrinischen Bevölkerung übergehen.

Djukanović hat gestern erkennen lassen, dass er zwar nicht bereit ist, Koštunica zu bestätigen. Angesichts der neuen Verhältnisse in Belgrad scheint der Präsident aber gewillt, die Frage der Unabhängigkeit erst einmal tiefer zu hängen. Nun müsse über weitgehende Rechte der Republik gesprochen werden.

In Montenegro bleibt man misstrauisch, was Koštunica betrifft. Sehr genau wurde registriert, dass Koštunica eine enge Verbindung zur orthodoxen Kirche in Belgrad eingegangen ist. Die Politik der Orthodoxen Kirche Serbiens in Montenegro jedoch stößt auf Verbitterung in der Teilrepublik. Der Anspruch der Oberherrschaft Serbiens über Montenegro spiegele sich in der Politik der serbischen Kirche wieder – diese will nach wie vor der montenegrinischen Kirche die Eigenständigkeit nicht zugestehen.

Erst wenn Belgrad klar und deutlich zu erkennen gebe, dass Montenegro als gleichberechtigter Staat in dem gemeinsamen Jugoslawien anerkannt wird, könnten die Spannungen zwischen beiden Ländern abgebaut werden – so jedenfalls drücken sich montenegrinische Politiker der Regierungskoalition aus.

Die Lage in Montenegro hat sich schon mal sichtlich entspannt: Die jugoslawische Armee ist in die Kasernen zurückgekehrt, die Milošević-treuen Paramilitärs von den Straßen verschwunden. Die Polizei Djukanović’ kontrolliert das Land. Die Konflikte mit Belgrad, das scheint sich als Meinung hier durchzusetzen, werden ab nun in Verhandlungen, nicht mit Waffen gelöst.