: Frust der Mainzelmänner
ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender will einen Neuanfang und opfert dem das eine oder andere Magazin. Kritik an seiner Programmreform nimmt er gelassen: „Natürlich bin ich unberechenbar“
aus Mainz PEER SCHRADER
Seit Nikolaus Brender die Leitung der Chefredaktion für Information, Politik und Sport beim ZDF übernommen hat, wächst die Empörung über die Mittel, mit denen die Mainzer neuerdings auf Zielgruppenfang gehen wollen. Für die von Intendant Dieter Stolte kürzlich vorgestellte Programmreform, an deren Ausgestaltung Brender nicht unwesentlich beteiligt war, opfern die Mainzer schließlich ihre bisherigen Informationsflaggschiffe.
„Frontal“ mit den Seniorensatirikern Hauser und Kienzle sollte zwar sowieso zum Ende des Jahres auslaufen, mit der Liquidierung des Ost-West-Katalysators „Kennzeichen D“ hatte jedoch niemand gerechnet. Nicht einmal die Berliner Magazinredaktion selbst. Redaktionsleiter Olaf Buhl kann sich noch immer nicht erklären, warum sein Magazin der neuen Programmstruktur weichen muss: „Quote und Qualität waren nie umstritten. Die Altersstruktur unserer Sendung ist sogar jünger als die von ‚Frontal‘.“ Brender ist da anderer Meinung, lässt sich aber erst gar nicht auf die gängigen Quoten- oder Qualitätsdiskussionen ein: „Ich wollte einfach einen neuen Anfang.“
Risiko als neues Konzept
Der Chefredakteur ist Journalisten und Politikern verdächtig, weil er Risiken eingeht. Verdächtig auch, weil er daran glaubt, mit dem „Frontal“-Ersatz „ZDF.reporter“ ein Magazin etablieren zu können, das ähnlich erfolgreich sein soll wie der Vorgänger. Verdächtig, weil er „Kennzeichen D“ durch ein Magazin ersetzen will, dessen genaues Konzept in den nächsten Wochen erst noch ausgearbeitet werden muss. Seine Risikobereitschaft wird Brender dieser Tage auch schon mal als Ambition auf den senderinternen Aufstieg ausgelegt. „Natürlich bin ich unberechenbar. Das ist doch der Auftrag eines Journalisten“, fasst Brender die Einschätzung seiner Person als Kompliment auf. Möglich, so Brender, dass es Kollegen gebe, die ihn gerne in der 2002 neu zu vergebenden Position des Intendanten sehen würden. Für ihn aber, fügt er hinzu, stünde das derzeit nicht zur Debatte.
Als Auslandschef begann Brender beim WDR, übernahm die Leitung der Programmbereiche Politik und Zeitgeschehen, später schließlich den Posten des WDR-Programmchefs. Beim ZDF laufen die Dinge aber etwas anders. Der 51-Jährige will seine Redaktion mit „möglichst großer Beteiligung der Mitarbeiter leiten“, hatte mit seiner Führungsstrategie bisher aber nur wenig Glück bei den Mainzern, zumal Gerüchte über eine zunehmende Boulevardisierung des Zweiten die Runde machten. „Da wurden Interna in illoyaler Weise frühzeitig nach außen getragen“, ärgert sich Brender. Beim nächsten Mal werde das sicher anders laufen. Eines steht fest: Wenn am 9. Januar 2001 „ZDF.reporter“ startet, wird das Magazin als Indikator für eine Boulevardisierung oder Modernisierung des ZDF herhalten müssen.
Neuer Mut, neues Tempo
Dann wird sich zum ersten Mal zeigen, was von den Plänen Nikolaus Brenders zu halten ist. Und ob sich seine Risikobereitschaft gelohnt hat. Bis ins sonst so eifrig gehegte Online-Angebot des ZDF hat sich der Mut zum Neuen jedoch noch nicht durchgesetzt. Dort heißt es auf der Seite von „Kennzeichen D“ noch immer: „Als zeitkritischer Wegbegleiter der Politik wird ‚Kennzeichen D‘ auch in Zukunft Denkanstöße geben.“ In diesem Fall endet die Zukunft allerspätestens in vier Monaten. Dann soll nämlich auch das noch namenlose Ersatzmagazin „on air“ sein.
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