piwik no script img

Zwischenzeugnis für die Bahn AG

Bei einer Anhörung vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags kritisierten Verkehrsexperten die Bahnreform. Strittig bleibt die Zukunft der DB Netz AG: Verstaatlichen oder privatisieren, ausgliedern oder unter dem Dach der Gesamtholding lassen?

von KATHARINA KOUFEN

Gestern gab es bei der Bahn das Zwischenzeugnis: Gut die Hälfte der Reform von der Bundesbahn zu einem modernen Unternehmen hat sie hinter sich gebracht. Was 1994 begonnen wurde, soll bis 2004 beendet sein – mit der krönenden Börsenfähigkeit des Unternehmens Zukunft. Doch derzeit scheint die Erreichung des Klassenziels gefährdet. Das zumindest bescheinigten Verkehrsexperten der Bahn gestern bei einer Anhörung vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags.

Die Fachleute aus Wissenschaft und Verbänden nutzten offensichtlich auch die Gelegenheit, mal wieder ordentlich an dem Problemschüler herumzumäkeln: Mit Ausnahme der Regionalisierung von Nahverkehrsstrecken sei das Reformvorhaben gescheitert, erklärten die meisten. Vor allem die Zukunft der DB Netz AG erregte die Experten-Gemüter. Der Verkehrswissenschaftler Gottfried Ilgmann etwa sagte, eine Bahnreform, die aus der Behörde einen einzigen Konzern für Züge und Schienen mache, könne seine Ziele nicht erreichen. Zur Illustration dieser seiner Meinung nach absurden Zielsetzung fügte er hinzu: Den Autofreund Heinz Dürr 1993 zum Bahn-Chef zu machen, sei so, als habe man „ Graf Dracula zum Chef der Blutbank“ gemacht.

Auch die meisten Umwelt- und Fahrgastverbände meinen, das von der DB Netz AG betreute Schienennetz müsse aus der Gesamtholding DB AG ausgegliedert werden. Es sei jedoch naiv, zu denken, „dann wird alles wieder gut“, sagte Holger Jansen von der Allianz pro Schiene gestern der taz. „Wir müssen vielmehr überlegen: Wie sichern wir die dauerhafte Finanzierung der Strecken, also Bestand und Neuinvestitionen, und in was für eine Organsiationsform wandeln wir die DB Netz um.“ Auch Jan Werner vom Verkehrsclub VCD monierte, dass die Bundesregierung die kürzlich zugesagten jährlichen 2 bis 2,5 Milliarden Mark für Strukturverbesserungen schon wieder in Frage stelle.

Gegen eine Ausgliederung des Netzes wehren sich nach wie vor Verkehrsminister Reinhard Klimmt, Bahnchef Hartmut Mehdorn und die Gewerkschaften. Mehdorn argumentiert mit dem „Gesamtprodukt“, das nur als Ganzes den vollen Bahn-Service leisten könne. Verkehrsverbände werfen ihm aber vor, die Bahn verhindere durch ihr Netzmonopol den Wettbewerb. Die Gewerkschaften fürchten die üblichen Entlassungen bei höherem Wettbewerbsdruck.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen