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Grünes Patent auf Umkippen

Die Grünen wollen dem Gesetz unter der Voraussetzung zustimmen, dass die SPD zusichert, die EU-Richtlinie in Brüssel noch mal überarbeiten zu lassen

von WOLFGANG LÖHR

Eigentlich sind sich die Grünen Politiker ja alle einig. Gene von Menschen, Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen dürfen künftig nicht mehr patentierbar sein. Dennoch wollten die grünen Minister heute im Kabinett einen Gesetzesentwurf mit auf den Weg bringen, der genau das Gegenteil festschreibt.

Ausgearbeit hat das Gesetz Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Mit ihm soll die seit Jahren heftig umstrittene EU-Richtlinie über biologische Erfindungen in nationales Recht umgesetzt werden. Die Biotech-Industrie wird sich freuen, denn damit wird ihr endlich ein auf zwanzig Jahre angelegtes Verwertungsmonopol für Gene, auch menschlichen Ursprungs, Körperzellen oder für Tiere und Pflanzen zugesichert.

„Kein Patent auf Leben“

Unter der Voraussetzung, dass eine Funktion bekannt ist, können sie so Teile des Erbgutes exklusiv für sich in Anspruch nehmen. Nur der Patentinhaber darf dann ein mit Hilfe des Gens hergestelltes Produkt vermarkten. Etwa Medikamente wie Interferon, das bei der Muskelkrankheit Multiple Sklerose eingesetzt wird.

Auch wenn es schon zahlreiche derartige Patente gibt, bisher mussten die Biotech-Unternehmen mit einer Rechtsunsicherheit leben. So ist das 1992 von der US-amerikanischen Harvard-Universität beim Europäischen Patentamt (EPA) eingereichte Patent für eine Krebsmaus, der erste Patentantrag überhaupt für ein Tier, bis heute aufgrund der Rechtsunsicherheit nicht entschieden. Mit der EU-Richtlinie, die bis Ende Juli in allen EU-Staaten hätte umgesetzt werden müssen, hat sich die Rechtslage grundsätzlich geändert. Jetzt seien, so ein Sprecher des EPA, auch Patente auf Tiere zulässig.

Seit Wochen schon wird bei den Grünen hinter den Kulissen heftig über das Biopatentgesetz gestritten. Jahrelang hatten die Grünen, vor allem die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer, unter dem Slogan „Kein Patent auf Leben“ zu verhindern versucht, dass die EU-Richtlinie in Brüssel verabschiedet wird. Im Mai noch hatte das Gesundheitsminsterium unter Andrea Fischer eine lange Liste mit Änderungswünschen, die bei der Erarbeitung des Biopatentgesetzes berücksichtigt werden sollten, beim Justizministerium eingereicht.

So sollte klargestellt werden, dass menschliche Embryonen grundsätzlich nicht unter den Patentschutz fallen dürfen. Auch sollte der Patentschutz bei Genen auf bestimmte konkret zu nennende Anwendungen beschränkt werden. Däubler-Gmelin hingegen verwies darauf, dass die Bundesregierung verpflichtet sei, die EU-Richtlinie „eins zu eins“ umzusetzen. Lediglich ein Hinweis, dass bei den Patenten das deutsche Embryonenschutzgesetz zu berücksichtigen sei, wurde mit aufgenommen. Danach ist zum Beispiel die Forschung mit Embryonen grundsätzlich untersagt. Embryonen dürften dann auch nicht patentiert werden.

Diese Formulierung sei viel zu schwammig, kritisierte Greenpeace. Jetzt schon würden frühe embryonale Zellen, aus dem sich noch ganze Organismen entwickeln können, als „Zellhaufen“ klassifiziert. Auf Unmut auch bei einigen grünen Politikern stieß vor allem, dass Andrea Fischer den Hinweis auf das Embryonenschutzgesetz in Däubler-Gmelins Vorlage als Erfolg verkaufte. Ansonsten wolle sie dem Gesetz ihre Zustimmung geben.

Das war vor vier Wochen. Seitdem rumort es in der grünen Partei. Ein Gruppe um den Umweltpolitiker Reinhard Loske kritisierte, so berichtete die Berliner Zeitung, dass die Gesundheitsministerin zu früh Zugeständnisse an die SPD gemacht habe.

Klagen beim Gerichtshof

„Wir müssen uns doch überhaupt nicht unter Zeitdruck setzen lassen“, sagt die Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitikerin Monika Knoche. „Deutschland wäre eines der ersten Länder, das diese Richtlinie umsetzen würde.“ Knoche plädiert dafür, das Biopatentgesetz erst einmal nicht umzusetzen und stattdessen bei den anderen EU-Mitgliedsstaaten Unterstützung zu suchen, um die Richtlinie grundsätzlich zu überarbeiten, so dass zum Beispiel Stoffpatente für Gene ausgeschlossen werden. Nur eine Anwendung könne dann unter Verwertungsschutz gestellt werden. Parteirat und Bundestagsfraktion wollten diesem Vorschlag nicht folgen. Beide Gremien entschieden letzte Woche, dass dem Biopatentgesetz im Kabinett zugestimmt werden soll. Eine Bedingung sei jedoch, dass der Koalitionspartner die Zusicherung gibt, dass nachträglich versucht wird, die EU-Richlinie in Brüssel überarbeiten zu lassen.

„Das ist doch absurd“, sagt die Europaabgeordnete Breyer. „Erst verabschiede ich ein Gesetz, und dann versuche ich es wieder zu kippen.“ Breyer ist sich sicher, dass es nicht dazu kommen wird. „Dieses heiße Eisen wird die EU-Kommission nicht noch einmal anfassen.“ Breyer versteht nicht, warum die Grünen nicht darauf drängen, dass sich die Regierung mit den Niederländern zusammentut. Die haben gegen die Richtlinie Klage beim Eoropäischen Gerichtshof eingereicht.

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