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Mit Gott und Madonnas Hintern

Durchgeknallter denn je: Abel Ferraras „New Rose Hotel“ betreibt seine Kulturkritik in psychedelischen Loops

Dieser Mann hat Gott gesehen. Es muss 1993 gewesen sein, bei einer Drehpause zu „Dangerous Game“, zwischen Wodka und Kokain. Da stand Gott vor Abel Ferrara. Im englischen Anzug, mit feinem Hut und Maßschuhen sah er wie William Burroughs aus. Und Ferrara wusste, dass es gut war: Filme zu machen, Filme über das Elend im Jammertal der Menschen, das bei ihm doch immer auch eines des Filmemachens ist. Dabei war Gott eigentlich nur gekommen, um Madonna auf den Hintern zu glotzen und sich danach gleich wieder vom Set zu verabschieden.

Seitdem sind die Filme von Ferrara ein wenig irrlichternd geworden. Drogen gibt es zwar zuhauf, Alkohol und Sex sind auch kein Problem. Aber den Männern, die da alles in sich hineinschnupfen, -saufen, -ficken, geht’s immer nur schlechter. Sie müssen von ihren Exzessen oft weinen, sie raufen sich die Haare und sterben einsam in dunklen Löchern, irgendwo am Ende der Welt. Nicht einmal formschöne Frauen wie – Claudia Schiffer!, die Ferrara für seine tragischen Helden findet, können da helfen.

So auch in „New Rose Hotel“. Fox (Christopher Walken) und X (William Defoe) wollen einen japanischen Gen-Spezialisten auf einem Kongress für ein multinationales Unternehmen abwerben. Dafür brauchen sie einen Lockvogel – weiblich, italienisch, mit ansprechender Figur. Eine Prostituierte wie Sandii (Asia Argento) also, die oft und gerne ihren Morgenmantel aufknöpft und ansonsten sentimentale Karaokelieder singen kann. Falls der Japaner anbeißt, bekommt Fox 100 Millionen Dollar; falls nicht, kann X mit Sandii weiter vögeln. Man sieht, für jeden ist etwas drin in dem Verschwörungsspiel.

Leider geht dann einiges schief. Sandii verschwindet, der Japaner aktiviert Killerviren, die den gesamten Kongress dahinsiechen lassen; die Konkurrenz tobt, Fox kriegt keinen Dollar und X wird über den Verlust seines Mädchen irre.

Stop! Hat sich das alles wirklich zugetragen? Im Original, einer Kurzgeschichte von William Gibson, bricht sich Fox am Ende die Knochen und X bleibt als Überlebender eines Unfalls bei „Maas Biolab“ zurück, nachdem der „DNA-Synthesizer“ umprogrammiert wurde. Das ist eben der Scheiß-Kapitalismus, in dem die Menschen und Dinge ihrer Bestimmung entgleiten.

Ferraras Version, seine ständigen Rückblenden auf Hotelzimmer und Sonnenuntergänge in Marrakesch bringen den Zuschauer dagegen schwer ins Grübeln: Immer wieder wird er an den Anfang des Komplotts gebeamt, als X und Sandii noch ein Paar sind. Ferrara fragt in solchen Loops danach, warum das Geld Beziehungen kaputtmacht und wer bei diesem Kaputtmachen auf der Strecke bleibt. Dann ist X ein Mensch, der vom Spiel der Mächte versucht wurde und dabei alles verliert, was ihm lieb und wichtig erscheint. Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit, so wie Fox es selbst prophezeit: „Knowledge is virtual, knowledge is virtue“ – Scheinwelt und Tugend in einem. Ein Film von Abel Ferrara eben, der mit allerlei existenzialistischem Brimborium die immer gleiche Frage stellt: Wer rettet den Menschen aus der selbst verschuldeten Hölle?

Gott bestimmt nicht. Der ist tot. Und Abel Ferrara auch nicht, der filmt mittlerweile minutenlang in Rotlichtkneipen die verschwommenen Umrisse schöner und gescheiterter Menschen ab, weil das sehr psychedelisch aussieht. Erst kommt der Kick, dann die Moral. Besser, Ferrara wäre nur beim Kick geblieben, so wie früher. HARALD FRICKE

„New Rose Hotel“. Regie: Abel Ferrara. USA 1998, 90 Min. Eiszeit-Kino, Zeughofstr. 20

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