: Plötzliches Interesse
■ Obdachloser rettet Selbstmörder
Der Obdachlose Harry Stein, der einen Selbstmörder aus der Alster gerettet hat, erhält eine neue Chance: Gestern stand ein Vorstellungsgespräch für einen neuen Job auf dem Programm. „Ich hatte mal ein glückliches Leben und konnte mir nie vorstellen, dass ich mal unter einer Brücke wohnen würde“, sagte Stein. Der 38-Jährige, der seit dem Sommer unter der Kennedybrücke lebt, hatte am Sonnabend einen Mann aus dem rund zwölf Grad kalten Alsterwasser gezogen. Der 47-Jährige überlebte.
„Es war so gegen halb elf, und ich habe ein bisschen gedöst“, erzählt Stein. „Da haben mich die anderen geweckt, da wäre einer ins Wasser gesprungen.“ Er schälte sich aus dem Schlafsack, zog Schuhe und Hemd aus und sprang in die Alster. „Ich bin zu dem Mann hingeschwommen, hab ihn gepackt und ans Ufer gezogen,“ berichtet er.
Der ehemalige Rettungsschwimmer war im Sommer nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin aus Ludwigshafen nach Hamburg gekommen. Da er keinen Job fand und sich keine Wohnung leisten konnte, lebt er „mit ein paar Kumpels“ unter der vielbefahrenenen Alsterbrücke. Jetzt hofft er auf einen Neuanfang: „Ich bin jeden Tag beim Arbeitsamt und suche einen Job. Vielleicht gibt mir jemand jetzt eine Chance.“
Seine Freunde zeigten sich genervt von den Journalisten, die seitdem um sie herumwimmeln: „Wir leben hier seit Monaten, und nie hat sich jemand für uns interessiert. Jetzt ist was passiert und alle sind sie hier. Nächste Woche interessieren wir wieder niemanden.“ dpa
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