Offener Brief an Volker Kauder, CDU-Generalsekretär: Herzlichen Glückwunsch schon jetzt
betr.: „Herr Bundeskanzler, handeln Sie“, taz vom 18. 10. 00
Sehr geehrter Herr Kauder, Sie äußern sich in der taz zum Thema Einwanderung, vor allem auch im Hinblick auf die Landtagswahl im Frühjahr 2001. Wörtlich führen Sie aus: „Wir werden den Wahlkampf verantwortungsbewusst gestalten ... Wir haben schon viel zu lange das Thema Zuwanderung unter der Decke gehalten in Deutschland.“ Zum Schluss meinen Sie, die beste Chance für die Bundesregierung, das Thema Einwanderung aus dem Wahlkampf herauszuhalten, sei, ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz vorzulegen. Ich möchte Sie fragen, ob Sie die derzeit bestehenden gesetzlichen Regelungen tatsächlich kennen und auch die Zahlen über die Einwanderungsbewegungen?
Nach meiner Kenntnis ist im Jahr 1999 ein leichter Einwanderungsüberschuss zu verzeichnen. Durchschnittlich sind in den letzten Jahren aber zirka 600.000 Einwanderer zu verzeichnen und genau so viele, die das Land wieder verlassen.
Bitte erklären Sie mir, wie Sie dann noch ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz machen wollen im Hinblick darauf, dass wir seit 1973 einen Anwerbestopp haben und Zuzug nur im Rahmen der Familienzusammenführung erfolgt: Dies ist verfassungsrechtlich abgesichert und Konsequenz einer früheren Politik. Das lässt sich mit Sicherheit auch durch ein Gesetz nicht ändern. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht schon seine Maßstäbe deutlich formuliert.
Die Zahl der Asylbewerber bewegt sich weit unter 100.000. Diese verlassen im Schnitt in zwei Jahren in nicht unerheblicher Zahl wieder das Land. Ich frage mich dann schon, wie Sie noch von Zuwanderungsbegrenzung reden wollen und dies gestaltet werden kann. Hier werden mit reinen Unterstellungen und Mutmaßungen Stimmungen bei der Bevölkerung erzeugt. Dabei wissen Sie ganz genau, dass es eher darum geht, die Zuwanderung zu ermöglichen in Anlehnung an die Green Card und andere Überlegungen.
Ich darf daran erinnern, dass in Baden-Württemberg die Abschiebepraxis bezüglich der Flüchtlinge aus Jugoslawien nachgerade unmenschlich war und von der CDU bis zuletzt verteidigt wurde. Fragen Sie einmal bei einigen mittelständischen Betrieben nach, welche Folgen teilweise nach der konsequenten Abschiebepolitik der CDU festzustellen waren.
Es ist für mich verantwortungslos, wie Sie dieses Thema behandeln und ohne Kenntnis und Darstellung der Grundlagen Stimmungen erzeugen, die sich dann umsetzen, und zwar mit Sicherheit nicht zu Ihren Gunsten. Die Republikaner und andere rechtsradikale Parteien haben immer mit Erfolg diese Kampagnen vereinnahmt.
Herzlichen Glückwunsch schon jetzt, wenn Ihnen dies wieder gelingt bei der Wahl im Frühjahr.
RAINER SCHMID, Nagold
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen