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Rechte Gewalt und Antisemitismus

Mit Erstaunen stelle ich immer wieder fest, dass in der publizistischen Auseinandersetzung zum Thema Antisemitismus und rechte Gewalt die Rolle des Christentums regelmäßig unter den Tisch fällt. Wenn ich mich als Jüdin oute, dann wird früher oder später die Frage nach dem Beginn des Antisemitismus an mich herangetragen. Meine Antwort ist gleichbleibend: mit dem Beginn des Christentums.

Als Jugendliche hatte ich dazu ein Schlüsselerlebnis: Es war zum Jahreswechsel 1977/78 in Tirol zum Skilaufen. Auf einem Bauernhof einquartiert, frühstückten wir gemeinsam mit den Bauersleuten. Am Schoß der Mutter ihr fünfjähriger Sohn. Plötzlich zeigte er mit seiner Hand auf das Kruzifix und fragte: „Wer ist das?“ Die Mutter antwortete: „Das ist das liebe Christkind, das dir zu Weihnachten immer die schönen Sachen bringt.“ „Und warum ist es angenagelt?“, fragte der Bub weiter. „Weil es die bösen Juden ans Kreuz geschlagen haben“, war die Antwort der Mutter.

Abgesehen davon, dass die Erklärung der Mutter historisch falsch ist – es waren die Römer –, aber so streut man die Saat des Antisemitismus. Die NDP, die man jetzt politisch so „korrekt“ verbieten lassen will, erntet ja nur das, was gesät wurde. Ein Verbot hätte maximal pädagogischen Charakter, dennoch geht es an der Wurzel des Problems vorbei. SABINE KUFNER, Berlin

betr.: „Verbot der NPD – Nützt das wirklich?“, taz vom 20. 10. 00

Sind wir doch mal ehrlich, wem nutzt denn ein Verbot der NPD wirklich? Der Demokratie? Den Gegnern des Faschismus? Uns? Sicher nicht, denn wer könnte ein Interesse daran haben, dass sich die eh schon zersplitterte und unüberblickbare rechte Szene noch weiter aufspaltet und in einem unüberschaubaren Bereich ihre ekelhafte Suppe kocht?

Sollten wir nicht „froh“ darüber sein, dass sich mit der NPD endlich eine kontrollierbare Einheit bei den Faschos herausbildet? Dieser sollte unnachgiebig und mit der Härte des Gesetzes entgegengetreten werden, aber eben im Dienste der Kontrollierbarkeit und mit chirurgischer Präzision und eben nicht mit dem Dampfhammer des Verbots, auf dass wieder alles in den Untergrund abtaucht. Das geplante Verbot erinnert mich an blinden Aktionismus. Ein Verbot der NPD beseitigt nicht das faschistoide Denken in den Köpfen. AXEL LÄMMLE, Jesenwang

betr.: „Tausende gegen Rechts“, taz vom 23. 10. 00

Aufstand der Anständigen? 10.000 Menschen in der Fußgängerzone gegen Rechts. Na ja, wenn aus dem Hubschrauber gezählt wird, rutschen schon einmal die Polizisten und die Leute in der Einkaufszone mit in die Zahlen. Eng war’s auf dem Hansaplatz am Sonnabend bestimmt nicht.

Ein richtiges Familientreff. Mindestens 1.000 Jahre Demoerfahrung waren dort vereint. Mann/Frau kannte sich schon von Ostermärschen, Anti-AKW-Protesten, den üblichen Solidaritätskundgebungen. Ein Lichtblik nur die Gewerkschaftsjugend der ÖTV und eine Menge junger Menschen aus der „Sponti-Ecke“. Wolfgang Clement, der Oberbürgermeister, der Rat der Stadt und viele anderen riefen zum Aufstand der Anständigen auf.

Es glänzten durch Abwesenheit die „anständigen“ Bürger, die SPD-Genossen aus den Ortsvereinen, die CDU-Mitglieder aus den Eigenheimvororten. Wo waren die Kollegen von Hoesch, die Angestellten der Stadtverwaltung, der VEW? Ich habe sie alle schon getroffen, wenn es um ihre Interessen gegangen ist. Mann/Frau kennt sich halt in so einer Stadt wie Dortmund. [...] 550.000 desinteressierte Weggucker, die ihren Rasen schneiden, ihr Auto waschen müssen, im Hobbykeller Wichtiges zu erledigen haben, sind schwer auszuhalten. Wenn die paar tausend Leute auf dem Hansaplatz alle Anständigen sind, die in Dortmund aufzutreiben waren, dann scheint es wirklich Zeit zu sein, einen Umzug ins Auge zu fassen. DIETER DEINERT, Dortmund

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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