: Nicht viel drin
■ Kein Spielzeitbeginnresümee: Willemsen und die drei Intendanten
Wahrscheinlich war's einfach naiv. Zu erwarten, in der Packung würde drin sein, was drauf stand, sprich: Die zum Bühnengespräch mit Roger Willemsen ins Schauspielhaus geladenen drei Hamburger Neu-Intendanten würden tatsächlich vor vollem Haus bekennen, wie ihnen der Beginn der neuen Spielzeit gefallen hat. Denn was sollen sie schon sagen? Gut! Natürlich! Und ihre Lieblingsstücke haben sie dem Publikum auch gleich anvertraut. Tom Stromberg schätzt besonders Jerome Bels The Show must go on, Ulrich Khuon die Kriegenburg-Inszenierung von Maxim Gorkis Nachtasyl und Louwrens Langevoort die Eötvös-Oper Tri Sestri. Ein ganz persönliches Flop-Bekenntnis hat keiner von den dreien abgelegt, das hatte auch Willemsen vorsichtshalber gar nicht erst gefragt.
Was sollte man aber sonst tun mit den drei hohen Herren auf der Bühne, die mal schlendernd, mal sitzend plauderten? Naja, man stellt sie eben vor, fragt sie nach Programmatischem, nach ihren Ansichten zum Theater im Allgemeinen und Besonderen. Tom Stromberg zum Beispiel „mag nicht mehr über Fragen von Hoch- und Subkultur nachdenken, sondern will einfach mit Leuten zusammenarbeiten, die Lust aufs Theatermachen haben“. Louwrens Langevoort wiederum hat Repertroireprobleme („ich kann ja nicht mal schnell eine Oper schreiben lassen“) und bringt, damit trotzdem mal was anderes zu sehen ist, Barock-Opern und Moderne auf die Bühne; klar, dass ihm Eötvös' Tri Sestri besonders gefallen hat, „weil der die Tschechow-Handlung aus drei verschiedenen Perspektiven betrachtet“. Er möchte neue Hörgewohnheiten erschaffen, „und dafür müssen die zeitgenössischen Stü-cke ja erstmal gespielt werden.“ Und Khuon? Gibt zu, dass Theater spezialisiert ist auf offene Fragen, bekennt sich aber auch zu einem – nicht moralischen! – „Auftrag“ des Theaters: „Ich möchte, dass die Zuschauer eine größere Sensibilitätsbereitschaft mitnehmen. Es hat auch keinen Sinn, ein großes Geschrei über Regelverfall und Orientierungslosigkeit zu veranstalten. Ich finde es wichtiger, mit größerer Verantwortungsbereitschaft auf solche Entwicklungen zu reagieren und den Einzelnen mit sich selbst zu konfrontieren. Theater kann zum Innehalten animieren und das Erlebnistempo ein bisschen reduzieren, das durch die Medien sowieso täglich auf uns einprasselt.“
Am Erlebnistempo dieses Abends lässt sich denn auch gar nichts bemäkeln. Schon eher an ein paar Überflüssigkeiten wie den von Musiktheater-Studenten vorgetragenen Spontan-Kritiken zu Stü-cken der drei Häuser, die teils noch nicht einmal in die Zeit der neuen Intendanz fielen. Unterhaltsam und insofern voll im Trend war dann wieder die Coda des Gespräches: Da musste nämlich jeder der drei aus einem von Willemsem vorgegebenen Buch (Stromberg: Lessings Hamburgische Dramaturgie; Khuon: Handkes Publikumsbeschimpfung bzw. Selbsbezichtigung; Langevoort: Strawinsky- und Schönberg-Zitate) zwei selbstgewählte Passagen vortragen. Und da machte – rein stimmgewaltig betrachtet – Langevoort eindeutig die beste Figur; vielleicht ist an ihm ja doch ein Deklamator verlorengegangen. Petra Schellen
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