Kein Machtkampf im Fall Baumann

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) verzichtet auf eine Klage gegen den Weltverband IAAF, obwohl sich DLV-Präsident Helmut Digel für Dieter Baumann stark macht und nach der Entscheidung über seinen Rücktritt nachdenkt

DARMSTADT dpa ■ Dieter Baumann kann im Kampf gegen seine zweijährige Dopingsperre nicht auf die Hilfe des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) hoffen. In einer mehrstündigen Sitzung beschloss das Präsidium des DLV am Samstag in Darmstadt – gegen den Willen von DLV-Chef Helmut Digel –, einem Machtkampf mit dem Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) aus dem Weg zu gehen und keine Klage gegen den Weltverband anzustrengen. In einer schriftlichen Erklärung wurden die geringen Erfolgschancen einer Klage vor einem ordentlichen Gericht als Begründung genannt. Bei Baumann war im November 1999 bei einem Dopingtest ein erhöhter Nandrolonwert nachgewiesen worden.

DLV-Präsident Digel wollte nach der Entscheidung keine Stellungnahme abgeben. „Es wäre falsch, sich jetzt zu äußern“, sagte er. Auch am Sonntag kommentierte er den Beschluss nicht. In der Sitzung hatte sich Digel für eine Klage ausgesprochen und die Auffassung vertreten, dass das Verfahren der IAAF gegen Baumann „juristisch problematisch“ gewesen sei. Angeblich soll Digel sogar seine eigene Zukunft im Verband mit der Entscheidung vom Samstag verbunden haben. Doch auch zu den Spekulationen um seine Person hieß es: „Kein Kommentar.“

Das Schiedsgericht der IAAF hatte am 17. September während Olympia den Freispruch durch den DLV-Rechtsausschuss für den nominierten und bereits angereisten Baumann wieder in eine Sperre umgewandelt. Der Olympiasieger von 1992 war daraufhin nach Deutschland zurückgekehrt und will gegen den Weltverband klagen, weil das Urteil seiner Auffassung nach nicht den rechtsstaatlichen Prinzipien entspreche. Zu der Entscheidung des DLV-Präsidiums wollte sich Baumann nicht äußern.

Wortlos verließen auch die Präsidiumsmitglieder die DLV-Geschäftsstelle, wo sie fast acht Stunden hinter verschlossenen Türen debattiert hatten. Als Ergebnis wurde festgehalten, dass der DLV beim nächsten IAAF-Kongress auf eine Änderung der „im Verfahren gegen Baumann deutlich gewordenen Schwächen im Regelwerk der IAAF“ drängen will. Im Fall Baumann zog sich das DLV-Präsidium jedoch auf die bereits im Oktober geäußerte Meinung zurück, dass der Verband als Mitglied der IAAF die Entscheidungen zu befolgen und die Sperre gegen Baumann umzusetzen habe.

Der 5.000-Meter-Goldmedaillengewinner von Barcelona hatte am 31. August Rückendeckung vom Stuttgarter Landgericht erhalten und eine einstweilige Verfügung erreicht. Das Gericht hatte damals das Schiedsgericht der IAAF verpflichtet, kein Urteil ohne Anhörung Baumanns zu fällen. Dieses Urteil nutzte Baumann jedoch nichts. Auch nach Gnadengesuch beim IAAF-Council und Anrufung des internationalen Sportgerichts (CAS) konnte er nicht bei seinen vierten Olympischen Spielen starten.