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Nicht mehr ganz Mädchen ...

■ ... noch nicht ganz Frau: Die Theatergruppe „Dritte Ebene“ zeigte in ihrer Heimspielstätte Schlachthof die sehenswerte Performance „Engel ohne Paradies“

„Engel Ohne Paradies“, die Theaterperformance der im Schlachthof beheimateten Theatergruppe „Dritte Ebene“, beginnt mit einer Catwalksequenz: „... I love you Honeybunny“. Das stammt aus „Pulp Fiction“. Pumpkin und Honeybunny, verdrehte Wiederauflage von Bonnie & Clyde. Und eins der uncoolsten Gangsterpaare ever. Die einzige Gemeinsamkeit: Beide Paare haben einander ziemlich lieb. In der Kesselhalle entern zwölf junge Frauen die Bühne. Alle im Trenchcoat. Alle mit einer roten Wasserpistole bewaffnet.

In dieser Sequenz ist vieles angelegt, wovon „Engel ohne Paradies“ handelt, nämlich von Beziehungen, von Liebe, von Coolness. Überhaupt davon, wie man sich zurechtfindet, nicht mehr ganz Mädchen, noch nicht ganz Frau. Aber es ist auch angelegt, wie das Stück funktioniert: als mal ruhige, mal rasante Szenenfolge. Stets mit dem Blick für Zitate, Bilder und Klischees. Nun habe man aber kein „soziomäßiges Betroffenheitsding“ machen wollen, sagt Nada Louise Harvey, die gemeinsam mit Andrea Werner „Engel ohne Paradies“ erarbeitet hat, sondern zeigen wollen, dass Mädchen auch ganz selbstverständlich ihr Ding machen können. Als Mädchen, Punkt.

Es geht um Selbstbeobachtung. Um das Beobachtet-Werden. Und um das Erzählen. Weil es manchmal nicht ganz leicht ist, das eigene Leben zu einem Text zu machen, hat die „Dritte Ebene“ als Hilfestellung ein Buch zur Hand genommen: „Das Blütenstaubzimmer“ von Zoä Jenny diente den 17- und 18Jährigen als Ausgangspunkt, aus dem eigenen Leben Bilder zu machen.

Den Drive erhalten die einzelnen Sequenzen dadurch, dass sie deutlich machen, wie sehr sich die Biografien, die Probleme und Wünsche der Schauspielerinnen gleichen. Und wie sie doch meilenweit auseinanderliegen. Nacheinander legen sie ihren Trenchcoat zwischen zwei Stühle, darunter kommen rosa Kleider zum Vorschein. Und jede erzählt. Kurze Monologe. Augenblicke aus dem wirklichen Leben, die spätestens beim Erzählen auch Literatur werden.

Zum einen werden die Themen angerissen, die als Mosaik ein Mädchenleben ausmachen. Eltern, Freund, Freundinnen, Klamotten, Erwachsenwerden und so weiter. Zum anderen gibt es Nuancen. Die eine schmeißt dem Mantel einfach hin, während andere ihren sorgfältig zusammenfalten. Und schließlich intoniert jede ihre Zeilen auf eine ganz eigene Weise. Schon früh zeigt sich, dass Harvey und Werner gemeinsam mit dem Ensemble Szenen entwickelt haben, die die jungen Frauen gerade nicht permanent als Nichtprofi-Schauspielerinnen ausstellen. Sie spielen Rollen, gewiss. Aber es sind Rollen, die ganz ähnlich auch im richtigen Leben vorkommen. Was der Aufführung sichtlich gut tut.

Eine gute Stunde pendelt „Engel ohne Paradies“ zwischen Uniformität und Individuellem, zwischen Geschwindigkeit und Ruhe, zwischen „Echtem“ und Artifiziellem. Mythische Bilder, wie die vom Engel oder der Mutter als Lebensspenderin, werden durch Ausflüge in Alltäglichstes gebrochen. Unterm Strich ist „Engel ohne Paradies“ ein sehenswertes Selbstermächtigungsstück, das happy endings ebenso verweigert wie Gejammer. Tim Schomacker

Weitere Aufführungen: heute und morgen, jeweils um 11 und 20 Uhr im Schlachthof

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