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Lorant lässt hören

Auch nach glücklichem 2:2 gegen Wolfsburg verweigert der Trainer von 1860 erfolgreich jede Imageaufweichung

MÜNCHEN taz ■ Es war ein Dialog, wie er öfters vorkommt im Leben des Werner Lorant. Samstagnachmittag, Pressekonferenz im Münchner Olympiastadion, ein Journalist ergreift das Mikrofon. Er fragt: „Herr Lorant, warum ist Ihr Team ab der 70. Minute eingebrochen?“ Der Trainer des TSV 1860 München zuckt mit den Lippen, dann zischt er: „Von welcher Presse sind Sie, ha?“ Und noch mal, unfreundlich: „Von welcher Presse sind Sie?“ Der Mann antwortet, mutig: „Vom Liechtensteiner Pressespiegel.“ Darauf Lorant, trotzig: „Dass wir eingebrochen sind – das glauben Sie!“ Schluss, aus, Ende der Diskussion. Dabei hätte es noch einiges zu sagen gegeben, über jenes 2:2 zwischen höchst seltsamen Löwen und dem VfL Wolfsburg.

Von Anfang an wirkten die Gastgeber, als seien sie gerade aus der Sauna marschiert. Benommen, schlapp, geistesabwesend torkelten sie umher, und selbst 1860-Trainer Lorant gab zu, dass man in der Startphase „amateurhaft“ aufgetreten sei, was sich nicht nur beim schnellen 0:1 durch Andrej Juskowiak nach 25 Sekunden belegen lässt. Auch danach herrschte Anschauungsunterricht für Fußball, wie man ihn nicht praktizieren sollte. Mal sprang Harald Cerny der Ball über den Fuß, mal passte Erik Mykland unbedrängt ins Seitenaus, dann schoss Martin Stranzl derart hoch über das Wolfsburger Tor, dass man ihm gerne ein Fieldgoal beim American Football angerechnet hätte.

Das Erstaunliche nur war: Trotz einer unkonzentrierten Spielweise schaffte 1860 die Wende. Allerdings nicht in der 22. Minute, als Thomas Häßler zum Elfmeter antrat (Kryger hatte Max gefoult); Reitmaier parierte. Innerhalb von 180 Sekunden zielten Paul Agostino und Martin Max erheblich präziser und hätten somit fast für den ersten Löwensieg seit fünf Spielen gesorgt. Eben nur fast.

Denn weil Tomislav Maric kurz vor Abpfiff den Ausgleich abstaubte, trat eine Situation ein, die Lorant gar nicht schätzt. Er musste etwas erklären. Der Presse. Ob 1860 durch die Doppelbelastung mit Bundesliga und Uefa-Cup (nun gegen den AC Parma) müde sei? Wieso man in der zweiten Halbzeit nur noch passiv dem Treiben zuschaute? Und überhaupt, was er denn nun der Mannschaft mitzuteilen habe? Antworten: „Ach was, wir sind nicht müde“ – „Wir haben aufgehört Fußball zu spielen. Es war nur noch Kick and Rush“ – „Ich habe heute keine Lust, mit den Spielern zu sprechen.“ War Letzteres nun eine Belohnung?

Eher nicht. Lorants Worten, seine Mannschaft habe förmlich „um den Ausgleich gebettelt“, war dann doch eine emotionale Unausgeglichenheit zu entnehmen, die der Trainer auf seine Weise zu beheben plant. „Die Mannschaft wird morgen etwas zu hören kriegen“, drohte Lorant, um zackig anzumerken: „Wolfsburg hat den Punkt verdient.“ Und: „Danke schön.“

Da hatte Lorant Recht. Im Duell der beiden Textmarker-Teams – 1860 trat in leuchtend blauen Trikots an, der VfL in neongrünen – wirbelten vor allem die schnellen Wolfsburger Akonnor und Akpoborie (der gegen Löwen-Zugang Vidar Riseth aus Norwegen spielte. Dieser sagte nach dem Spiel: „Ich kannte seinen Namen nicht. Aber ich wusste, dass er schnell sei.“). Aber weil das 1:0 für Wolfsburg anscheinend „ zu früh“ (Frank Greiner) gefallen war, zog man sich zurück und kämpfte erst dann leidenschaftlich, als Trainer Wolfgang Wolf mit Maric und Rische die Stürmer drei und vier brachte sowie Hengen aus der Abwehr ins Mittelfeld orderte.

Nach zuletzt zwei Heimniederlagen gegen Wolfsburg holte 1860 nun also ein Unentschieden, was man als Erfolg verzeichen könnte. Wenn da nicht die Tabelle wäre. Zwölfter ist man, und weil nun endgültig mit nur drei Punkten Vorsprung der Anschluss zu den Abstiegsrängen geschafft wurde, macht sich Präsident Karl-Heinz Wildmoser erstmals Sorgen: „Unser Tabellenplatz ist nicht unbefriedigend, sondern beunruhigend“, sagte er schlüssig. Immerhin, noch am selben Abend erhielt Wildmoser Balsam für seine gebeutelte Seele. Es sprach Therapeut Lorant: „Es kommen schon wieder Siege.“ Mal sehen.

GERALD KLEFFMANN

TSV 1860 München: Jentzsch - Paßlack, Zelic, Riseth - Cerny, Mykland, Häßler, Stranzl, Bierofka (64. Pfuderer) - Max, Agostino (79. Borimirow)VfL: Reitmaier - Thomsen, Hengen, Kryger (46. Biliskow) - Greiner (62. Maric), Akonnor, Nowak (79. Rische), Weiser - Kühbauer - Juskowiak, AkpoborieZuschauer: 21.800Tore: 0:1 Juskowiak (1.), 1:1 Agostino (33.), 2:1 Max (36.), 2:2 Maric (88.)

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