: Deutscher Kreuzzug stürmt Afrika
Der umstrittene deutsche Fundamentalistenprediger Reinhard Bonnke startet einen „Großen Millennium-Kreuzzug“ – ausgerechnet im von religiösen Unruhen geschüttelten Nigeria. Zur Auftaktveranstaltung kamen über eine Million Menschen
aus Lagos HAKEEM JIMO
Reinhard Bonnke kennt Feinde in allen Lagern: christliche Missionarskollegen, die ihn als Demagogen hinstellen; Muslime, die Angst um potenzielle Abtrünnige haben; weniger Religiöse, die ihn als Scharfmacher sehen. In Nigerias größter Stadt, Lagos, hat der Deutsche jetzt aber seine Anziehungskraft wieder einmal bewiesen. „Ich habe es selbst noch nie erlebt, wie es ist, zu einer Million Menschen zu sprechen“, sagte Bonnke der taz nach seinem gigantischen sechstägigen Gottesdienst letzte Woche, zu dem Hunderttausende kamen und der am Wochenende 1,3 Millionen Menschen anzog.
Sie waren gekommen, um den einflussreichsten Prediger Afrikas zu sehen. Eine Mutter schiebt mit ihrer Tochter und dem ältesten Sohn ihr behindertes jüngstes Kind im Rollstuhl zur Bühne. „Ich glaube, Evangelist Bonnke kann meinem jüngsten Sohn helfen. Er hat noch nie ein Wort gesprochen und ist keinen Meter allein gegangen“, sagt sie. Ein junger Mann meint: „Ich komme bei meinem Uni-Abschluss nicht weiter. Jetzt gehe ich jeden Tag in die Kirche, und das hier ist etwas ganz Besonderes.“ Bonnke fordert alle auf, am nächsten Tag einen Bekannten mitzubringen, der noch nicht gerettet ist. Auch sollen alle ihre Glücksbringer und Voodoo-Medizin-Beutel auf einen Haufen werfen, damit alles Nichtchristliche verbrannt werden kann.
„Ein von Jesu Blut rein gewaschenes Afrika“ ist Bonnkes Losung. „Dann wird der Kontinent das Leuchtfeuer für die ganze Welt sein.“ Der selbst ernannte Evangelist pflegt gute Kontakte zu vielen afrikanischen Präsidenten. Bonnke war dabei, als Olusegun Obasanjo 1999 in das Amt des Staatschefs von Nigeria eingeführt wurde. Der umstrittene Herrscher von Togo, Gnassingbe Eyadema, gilt als ein Sponsor des deutschen Massenmissionars. Nach Lagos reiste erstmals ein fremdes Staatsoberhaupt zum Beten an: Frederick Chiluba aus Sambia.
Seit 25 Jahren setzt sich Bonnkes Organisation „Christ for all Nations“ mit Sitz in Frankfurt am Main zum Ziel, so viele Menschen wie möglich zu bekehren – vor allem in Afrika. Der „Mähdrescher Gottes“, wie der 60-Jährige sich nennt, tritt dort jedes Jahr Dutzende Male auf. Auch in Europa versucht der Vater dreier Kinder die Menschen zu bekehren – mit Wurfsendungen des Büchleins „Vom Minus ins Plus“. Im kommenden Jahr sind größere Veranstaltungen in Berlin, München und Basel geplant.
Die etablierten Kirchen beobachten das mit Argwohn. Wunderheilungen, Geisteraustreibungen, Amulettverbrennungen und Kampfgebete sind ihnen unheimlich. Auch in Afrika stößt Bonnke nicht nur auf Zuspruch. Als er vor neun Jahren in Nigerias islamischem Norden auftrat, kam es zu Unruhen mit über 300 Toten. Diesmal trat er lediglich im christlichen Lagos auf, weitere Veranstaltungen bis hin zum Frühjahr finden ausschließlich in südlichen Provinzen Nigerias statt. „Wir hatten hier vor kurzem Pogrome zwischen Muslimen und Christen“, erklärt ein Bewohner von Lagos. „Und im Frühjahr die schlimmen Unruhen in Kaduna, als die Scharia eingeführt werden sollte und Tausende umkamen.“
„Ich bin kein Politiker. Ich verkünde das Evangelium“, entgegnet Bonnke seinen Kritikern. Damit scheint er Erfolg zu haben. In Nigeria war an der Organisierung seines Programms der Dachverband der christlichen Kirchen Nigerias, CAN, beteiligt, in dem Anglikaner, Katholiken und Protestanten sitzen. Die etablierten Kirchen riefen sogar ihre Gläubigen dazu auf, zu Bonnke zu gehen. „Die nigerianischen Ableger der Staatskirchen aus Europa sind fortschrittlicher“, freut sich Bonnke.
So ähnelte sein Auftritt dem Massenspektakel eines Popstars. Die deutsche Straßenbaufirma Strabag füllte eine sumpfige Fläche in Lagos auf, um Raum für mehrere Millionen Menschen zu schaffen. Die neue Soundanlage konnte bis zu sechs Millionen Zuhörer beschallen. 23 Schiffscontainer mit Exemplaren von Bonnkes Buch wurden nach Nigeria verschifft. Auf dem Festivalgelände verkauften Hunderte von Händlern Bonnke-Mützen, Bonnke-T-Shirts, -Schreibblöcke, -Poster, -Videos, -Kassetten.
Vor Jahren reiste Bonnke noch mit einem Zelt für über 30.000 Menschen durch Afrika – das größte Zelt der Welt, transportabel in 19 Lkws. Das ist zu klein geworden. Jetzt geht Bonnke in Stadien und auf Plätze und ist den Naturgewalten ausgeliefert. Für schlechtes Wetter ist dann natürlich Satan verantwortlich. Am ersten Tag des „Großen Millennium-Kreuzzugs“ in Lagos ging ein tropischer Regenschauer auf die auf Jesus Hoffenden nieder.
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