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■ Das Wahlsystem der USA hat Fehler, doch undemokratisch ist es nichtEin Testfall für die Demokratie

betr.: „Die Schadenfreude der Diktatoren“, taz vom 10. 11. 00

[...] Natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn es Unregelmäßigkeiten bei Wahlen gibt. Aber der Unterschied zwischen einer Demokratie und einer Diktatur besteht darin, dass in der Diktatur alles unter den Teppich gekehrt wird und in der Demokratie das Problem mit rechtsstaatlichen Mitteln gelöst wird. So eine Situation ist ein Testfall für die Demokratie. Wird alles rechtsstaatlich untersucht und gelöst, bleibt die Demokratie existent – und glaubwürdig. Wenn nicht, dann nicht. Nur dann hätten die Diktatoren Grund zur Schadenfreude. [...] SANDRA LUSTIG

Dieser Wahlkampf, wie so viele vorher, erinnert mehr an einen Schönheitswettbewerb als an eine ernsthafte politische Auseinandersetzung, wenn man mal von Ralph Nader absieht. Diese Auseinandersetzung ist leider auch nicht notwendig, da die existierende ökonomische Apartheid in den USA dafür sorgt, dass nur die „Haves“ gewählt werden können und diese sich in erster Linie um die Verteilung des Kuchens streiten, während die „Havenots“ zuschauen dürfen.

Jetzt werden die Wahlen allerdings zu einer für alle Weltbürger verständlichen Farce, da der mächtigste und reichste Staat dieser Erde offensichtlich gewisse Probleme hat, leicht verständliche Wahlzettel erstellen und anschließend die Stimmen korrekt auszählen zu lassen. Darum lasst uns, und gerade auch die Diktatoren, nach demokratischen Vorbildern bitte woanders suchen und fündig werden. REINHARD HUSS, Heidelberg

[...] In der taz ist man besorgt. Nicht über den Rassismus in den USA oder die Aushöhlung der Demokratie, die sich hier möglicherweise zeigen. Nein, man ist besorgt um den Ruf der USA. Dominic Johnson befürchtet Schwierigkeiten beim Export der amerikanischen „Leitkultur“, wenn sich in der Welt herumsprechen sollte, dass nicht alles Gold ist, was dort glänzt. [...] Glaubt D. Johnson im Ernst, dass Demokratiebewegungen in aller Welt vom unermüdlichen Einsatz der US-Regierung für Menschenrechte profitieren? Der findet doch vor allem in Sonntagsreden von Politikern und Leitartikeln von Journalisten statt. Was wäre so schlimm, wenn sich Demokraten in aller Welt etwas weniger auf das US-amerikanische „Vorbild“ berufen? [...] ROLAND STARK, Eltville

Neu ist am Ablauf der diesjährigen Wahlen in den USA nicht, dass es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Nur dieses Mal entscheidet der Betrug über den Ausgang der Wahl. Auch in anderen Jahren haben Tote ihre Stimmen abgegeben, wurden Wahlzettel verlegt und waren Wahllokale unrechtmäßig länger geöffnet. Chicago ist berühmt dafür.

Aber es gibt ja glücklicherweise neben den USA noch andere westliche Demokratien, an deren Wahlsystemen sich Staaten orientieren können, nachdem sie ihre Diktatoren losgeworden sind.

HOLGER MEYER, Shirley NY, USA

Sorry, aber da habt ihr doch eher einen blöden Kommentar abgedruckt, welcher in keinerlei Weise mit der Stimmung in den USA korreliert und auch nur ansatzweise die augenblickliche Situation reflektiert. Es klingt doch ein wenig arg nach politisch korrektem Zeigefinger, der da ohne Nachdenken ausgerutscht ist. [...]

CHRISTIAN HARTMANN, Cambridge

Der Wahltanz in den USA hat viele interessante Aspekte und wird hoffentlich einige Konsequenzen haben. Doch der im Kommentar herausgearbeitete Verlust der Glaubwürdigkeit der USA als demokratischstes aller Länder gehört nicht dazu.

Das Wahlsystem hat einige Fehler, und das wird offen diskutiert. Doch undemokratisch ist es nicht. Die Situation ist sicherlich peinlich, aber man gewinnt den Eindruck, dass eine gesunde Diskussion im Gange ist, so wie es sich in einer Demokratie gehört. Finnland hat sein Wahlmännersystem erst 1994 aufgegeben, und es besteht die Hoffnung, dass die USA das nun auch tun werden.

Das ganze Land hält den Atem an. Die Leute schütteln den Kopf oder sind gar entsetzt und einige schmunzeln, während in Florida die einzelnen Stimmen wohl am Wochenende mit der Hand abgezählt werden. Das alles fühlt sich ausgesprochen demokratisch an. PIETER GLATZEL, Berkeley CA, USA

Dass die Demokraten in Florida auf einer peinlich genauen Auszählung bestehen und die seltsamen Wahlzettel kritisieren, kann man nachvollziehen. Viel schlimmer ist, dass Bush und Gore beide von Geld aus der Wirtschaft abhängig sind und dass Bushs und Gores Parteien andere Kandidaten von den Fernsehdebatten ausschlossen. Was würde man von der deutschen Demokratie halten, wenn CDU und SPD beschließen könnten, dass FDP und Grüne in Umfragen 15 Prozent brauchen, um Sendezeit zu bekommen? Die Konklusion ist, dass der Wahlkampf so von der Wirtschaft beeinflusst war, dass am Wahltag gar nichts mehr schief gehen konnte.

JÜRGEN SCHLEUCHER, Umea, SCHWEDEN

[...] Die Tatsache, dass man in den USA sorgfältig den Wahlvorgang untersucht, spricht gerade für das System und nicht dagegen, wie Sie es in Ihrem Kommentar leider darstellen. [...]

HEIKO SIEBOLD, Norwich, UK

Es tut mir Leid, aber die Stoßrichtung des Kommentars ist völlig verfehlt. Wenn es zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, so müssen diese aufgeklärt und geheilt werden. Wenn der Autor meint, die Geschädigten sollten den Fehler im Interesse des Großen und Ganzen vertuschen, dann betreibt er das Geschäft, als dessen Kritiker er sich versteht. Sollte er dies nicht meinen, so ist der Text gehaltlos. ALEXANDER VIRCHOW, Kronprinzenkoog

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