Filmstarts à la carte
: Einfach nur leben

■ Es ist Frühjahr; zwei Männer räkeln sich träge im Gras. Doch die Idylle trügt: Man befindet sich in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs, und die Männer sind nationalistische Partisanen, die einen Anschlag auf einen KP-Funktionär planen. Doch zunächst erwischen sie die falschen Leute - es sterben zwei Arbeiter. „Asche und Diamant“, Andrzej Wajdas Verfilmung des 1948 erschienen Romans von Jerzy Andrzejewski, zeigt die polnische Nachkriegsgesellschaft am Scheideweg. Dabei stattet Wajda seine scheinbar so unversöhnlichen Figuren mit ähnlichen Hintergründen und Erfahrungen aus der Widerstandszeit aus - der Bruderkampf der Partisanen erscheint absurd. Wajda filmt das Geschehen aus einer leichten Untersicht: Die dadurch sichtbaren Decken machen die Räume realer, lassen die Protagonisten immer ein wenig wie Gefangene ihrer Lebensumstände wirken. Dass der 1958 entstandene Film bei einer nachgewachsenen Generation ein so großer Erfolg wurde, liegt vor allem an der Hauptfigur des Maciek. Wenn man den von Zbigniew Cybulski verkörperten Attentäter, der den Sinn seines Kampfes zunehmend in Frage stellt, mit gebeugtem Kopf zwischen hochgezogenen Schultern, die Hände in den Hosentaschen, die Straße entlangwandeln sieht, dann begreift man noch heute, warum dieser verletzliche „Rebel without a Cause“ zum Idol einer Generation werden konnte. Denn Maciek will, was doch jeder Junge möchte: vielleicht studieren, die schöne Krystyna lieben und eine gute Zeit haben. Einfach nur leben.

„Asche und Diamant“ 18./19.11., und: 25.-29.11.; Andrzej-Wajda-Reihe noch bis zum 29.11. im Nickelodeon

■ Als der schwarze Privatdetektiv John Shaft 1971 in Gestalt von Richard Roundtree erstmals die Leinwand eroberte, um die Tochter eines schwarzen Gangsters aus den Fängen der Mafia zu befreien, konnte die Forderung nach Gleichberechtigung der Schwarzen längst nicht mehr überhört werden. In Hollywood hatte man die „Rassenfrage“ bislang allerdings tunlichst ignoriert und schwarze Darsteller gemäß alter Klischees als servile Bedienstete oder fröhliche Entertainer eingesetzt. Doch zu Beginn der Siebziger schien die Zeit überreif für einen coolen schwarzen Helden, der sich von den Weißen nicht mehr länger herumschubsen ließ. Und John Shaft kennt sich tatsächlich aus mit den Problemen der Black Community in New York, er spricht ihre Sprache und hat in seinem ersten, von Gordon Parks inszenierten, Abenteuer sogar einen in den Untergrund abgetauchten Revoluzzer zum Freund. Die Realität eines ganz alltäglichen Rassismus floß in den Film ein und machte Shafts Erfahrungen für ein schwarzes Publikum nachvollziehbar: als „Nigger“ tituliert oder von einem Taxifahrer aufgrund der Hautfarbe nicht mitgenommen zu werden. Zudem konnte sich mit Richard Roundtree erstmals ein schwarzes Sexsymbol im Film etablieren, das sich auch einmal nackt auf der Couch räkeln und als Ladykiller Entspannung von des harten Tages Arbeit suchen durfte. Nicht zuletzt der Erfolg von „Shaft“ führte schließlich zur simpler gestrickten „Blaxploitation“, einem Action-Kino, das genüßlich zelebrierte, was den schwarzen Helden so lange verwehrt geblieben war: reihenweise tumbe weiße Rassisten um - und scharfe Miezen flachzulegen.

„Shaft“ 16.-22.11 in der Brotfabrik

■ Einen interessanten Blick auf die Arbeiterbewegung und das sich abzeichnende neue Selbstbewußtsein der Frauen in der Weimarer Republik werfen Slatan Dudow und sein Drehbuchautor Brecht in „Kuhle Wampe“: Während ein junger Mann während der Weltwirtschaftskrise zermürbt von der ergebnislosen Arbeitssuche Selbstmord begeht, entflieht seine Schwester (Hertha Thiele) dem spießigen Elternhaus, verlässt ihren blöden Macho-Freund, von dem sie ungewollt schwanger geworden ist, zieht zu einer Arbeitskollegin und findet Solidarität im Arbeitersportverein.

„Kuhle Wampe“ 16./18./19.11. im Lichtblick-Kino

Lars Penning