: Kinderkrams gekippt
Die Kita-Card wird gestoppt. Studie belegt, dass in Hamburg mehr als über 16.000 Plätze fehlen, welche die Stadt nicht bezahlen will ■ Von Kaija Kutter
Die Gerüchte wurden gestern bestätigt. Unter dem Titel „Kita-Card kommt“ teilte Schulsenatorin Ute Pape (SPD) gestern abend die Verschiebung der Reform auf das Jahr 2003 mit. Gespräche am Morgen mit den Trägern hätten deutlich gemacht, dass man zur „technischen Vorbereitung und personellen Schulung ein weiteres Jahr“ brauche, so Pape. Somit kommt die Kita-Card nicht mehr vor der Wahl.
Ebenfalls gestern hat das Amt für Jugend die seit Monaten vorliegende Studie des Nürnberger „Instituts für soziale und kulturelle Studien“ (ISKA) veröffentlicht. ISKA hatte vor einem Jahr 6227 Hamburger Eltern über deren Berufstätigkeit und Kinderbetreuungswünsche befragt, um den künftigen Bedarf abzuschätzen. Ergebnis: Das Ziel der Bürgerschaft, mit der Kita-Card allen berufstätigen und in Ausbildung befindlichen Eltern per Rechtsanspruch einen Platz zu garantieren, kann nicht erfüllt werden.
Es sei „sehr zweifelhaft“, ob die Nachfrage durch das im Jahr 2002 bestehende Platzangebot gedeckt werden könne, schreiben die ISKA-Forscher Günter Krauss und Sigrid Zauter. Würde sie befriedigt, bräuchte Hamburg rund 16.700 neue Plätze in Kindertagesstätten.
Krauss und Zauter haben den Bedarf in drei Altersgruppen unterteilt: Krippenkinder bis drei Jahre, Vorschulkinder bis sechs Jahre und Schulkinder bis zwölf Jahren. Für Krippenkinder fehlen 6.292 Plätze, für Vorschulkinder 5792 und für Schulkindern 4642. Ließe man die Kinder, die aus sozialen Gründen einen Kita-Platz haben, weg – angesichts der aktuellen Diskussion ein unvorstellbarer Schritt – fehlten immer noch 9368 Plätze.
Die prognostizierten Daten seien mit Vorsicht zu genießen, schränken die ISKA-Forscher ein. So wurde nicht berücksichtigt, welchen Einfluss die Höhe der Elternbeiträge auf die Nachfrage hat. Auch wäre die Einführung der Kita-Card ein „öffentlichkeitswirksamer Schritt“, der mehr Mütter zu Berufstätigkeit animieren könnte. Doch trotz dieser „Unwägbarkeiten“ halten Krauss und Zauter an ihrer Warnung vor dem Rechtsanspruch fest: „Ein zu breit definierter Geltungsbereich birgt ein Haushaltsrisiko.“
Gleichwohl wollen die beiden ihrem Auftraggeber die Kita-Card nicht ausreden. Man könne ja den Rechtsanspruch „in Stufen“ einführen, beispielsweise zunächst nur für die Nachmittagsbetreuung von Grundschulkindern. Hier fehlen laut ISKA nur 164 Plätze.
Die Einführung der Kita-Card mache „in jedem Fall Sinn“, heißt es in der Schlussbemerkung, weil ein besserer „Abgleich von Angebot und Nachfrage“ möglich sei. Da die Karte „amtlich vergeben werden soll“, wäre zudem sichergestellt, dass die Zahl der vergebenen Kita-Cards die „zur Verfügung stehenden Finanzmittel nicht übersteigt“.
Im Klartext: Eine Kita-Card ohne Rechtsanspruch ist kein Haushaltsrisiko. Wenn das Geld alle ist, gehen die zur Berufstätigkeit animierten Mütter eben wieder zurück an den Herd.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen