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Wer will zum BUND?

Mitgliederzahlen steigen, aber der Bund für Umwelt- und Naturschutz hat Nachwuchsprobleme. Landesverband feiert heute 20-jähriges Jubiläum

von RICHARD ROTHER

Es könnte alles so schön sein wie das diesjährige Novemberwetter. Der Landesverband des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), feiert heute nicht nur sein 20-jähriges Jubiläum – auch die Mitgliederzahl stieg in den vergangenen Jahren überraschend stark an. Zählte der Lobbyverband 1997 noch rund 5.000 Mitglieder und Förderer, so sind es heute bereits mehr als doppelt so viele. Das spült zwar Geld in die chronisch knappen Kassen – löst aber ein grundsätzliches Problem nicht, das Umwelt- und Sozialverbänden gemein ist: Viele Mitglieder sind Karteileichen, die zwar ihre Beiträge zahlen, sich aber kaum engagieren.

„Die Zahl der aktiven Mitglieder stagniert“, räumt BUND-Geschäftsführer Stefan Bundscherer ein. Besonders schwierig ist die Situation bei den Jugendlichen, dem Nachwuchs einer jeden Organisation. „Die sind heute nicht mehr per se ökologischer als ihre Eltern.“ Heute sei es cool, sich mit Handys, SMS und MP3 auszukennen. Umweltbewusstsein sei einfach keine Selbstverständlichkeit mehr. Ganz im Gegensatz zu den Anfangsjahren, als man mit Umweltthemen in Westberlin noch Massen mobilisierte – etwa beim Kampf gegen die Öffnung der Havelchaussee im Grunewald.

Damals war „Feuer drin“, so Bundscherer. Heute ist nicht nur der Verband mit seinen rund 20 hauptamtlichen Mitarbeitern professioneller geworden – auch die Einstellung der neuen Mitglieder, insbesondere der jungen, hat sich zum Teil fundamental geändert. Bevor man irgendwo mitmacht, wird schon mal gefragt: „Krieg ich eine Bescheinigung dafür?“ Umweltengagement als eine Art Karrierebaustein. Der Verband hat darauf reagiert. Er lockt Neueinsteiger mit Seminaren: Rhetorikkurse, Präsentationstechniken, Teamworkseminare. Hier können die Neuen die so genannten soft skills lernen, die in jedem Start-up-Unternehmen unentbehrlich sind.

„Wir müssen uns mehr an den Interessen der Jugendlichen orientieren“, sagt Bundscherer, der sich selbst als Modernisierer sieht. Umweltgerechtes Leben müsse auch Spaß machen, Konsumgewohnheiten dürften nicht per se verteufelt werden. Überzeugung statt Brechstange – das scheint das Motto des Verbandes geworden zu sein.

Ein Beispiel dafür ist die Love Parade. Der BUND rechnet es sich als Erfolg an, auf der diesjährigen Parade ein Mehrwegsystem beim Getränkeverkauf durchgesetzt zu haben. Protest radikaler Umweltschützer, auch aus den eigenen Reihen, blieb da nicht aus – für sie ist die Love Parade schließlich das Böse an sich, das nicht nur die Jugend verführt, sondern auch dem Tiergarten den Garaus macht. „Der Vorstand lehnte auf einen Antrag jegliche Unterstützung eines Protesttages der Bürgerinitiative „Rettet den Großen Tiergarten vor der Love Parade“ am 8. Juli 2000 ab“, kritisiert Rudolf Blais, langjähriges BUND-Mitglied, der den Verband 1997 verlassen hat. Die groß angekündigte Protestaktion der Bürgerini, die Blockade der Parade, ist allerdings mangels Beteiligung ausgefallen.

Wie überall, ist auch im BUND die politische Linie umstritten. Auf der Jahresvollversammlung 1999 kritisierten vier Mitglieder in einem Antrag: „Die augenblicklichen Umweltschutzstrategien haben sich als untauglich erwiesen. Der Weg über die Mächtigen ist politisch falsch und auch deutlich gescheitert.“ Zudem hätten sich die Ziele des Verbandes verschoben. „Weniger die Umwelt- und Naturschutzaufgaben stehen im Vordergrund, umso mehr das Ziel, den Verband groß zu machen, mit zahlreichen Mitgliedern und viel Geld.“

Geschäftsführer Bundscherer sieht das anders. „Unser größter Erfolg ist der Aufbau einer schlagkräftigen Organisation für die Umwelt, in der vom Heckenpfleger bis zum Experten alle mitmachen können.“ Der Verband habe mittlerweile unheimlich viel nützlichen Sachverstand angehäuft, und ohne die Professionalisierung der Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit wäre man nicht so weit gekommen.

Immer wichtiger wird nach Bundscherers Ansicht auch der Kontakt zur Wirtschaft, mit der der Verband im Umweltinteresse Bündnisse schließen könne. Beispielsweise müsse ein Unternehmen wie der Lastballonbauer Cargolifter doch ein eigennütziges Interesse daran haben, die Verschwendung mehrerer Milliarden für den Havelausbau zu stoppen.

Zudem müsse man aufhören, Erfolge kleinzureden, fordert Bundscherer. Ein Beispiel: Der BUND hatte mit einer Kampagne gefordert, dass in sämtlichen öffentlichen Gebäuden der Stadt nur Ökostrom verwendet werden darf. Nach zähen Verhandlungen wurde sich auf eine Fifty-fifty-Lösung geeinigt. Bundscherer: „Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Ich würde sagen: halb voll.“ Prost, BUND!

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