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: ARNO FRANK im Banne der „Costa Blanca Nachrichten“

Schweißschatten auf der Titelseite

Zugegeben, aus unserem Radio deutschtümelte Heimatliches. Zudem stand der Wagen mit heruntergekurbelten Scheiben hinter einem Supermarkt unter Spaniens Sonne. Und als ein roter Golf Diesel mit einem kurios schwitzenden und stark sonnenbebrillten Schnauzbart am Volant neben uns einparkte, hätte ein flüchtiger Blick aufs Kennzeichen noch Schlimmeres verhindern können: KUS stand da, wohl weil der Wagen in jenem bevölkerungs- und ereignisarmen Kreis in der pfälzischen Provinz angemeldet war. In einer Gegend, wo, wie Kenner wissen, Fuchs und Hase allabendlich gemeinsam sich zu Tode langweilen. Wir waren Kenner. Wir kamen auch aus Kusel.

Und so schwadronierte der Landsmann, froh, Anschluss gefunden zu haben, in rotem T-Shirt und roten Shorts und Badelatschen uneingeladen ins Beifahrerfenster hinein: „Dénia griest die Palz!“, hub er leutselig an. Um dann, unser Einverständnis kulant voraussetzend, ansatzlos Meinungen und Ansichten vom Stapel zu lassen, die sich in der Einsamkeit seines sonnenverbrannten Exils so angesammelt hatten: Dass es sich in „Spannje“ ja trefflich leben ließe, vor allem „wettertechnisch“, wäre da nicht die provozierende Saumseligkeit der einheimischen Müllabfuhr. Dass er nun schon seit vier Jahren an der „weißen Küste“ weile und von allen deutschen Plagen das Finanzamt am wenigsten vermisse – abgesehen von seiner Geschiedenen, dem geldgeilen Stück. Der Mann war offenbar zu beneiden. Schweiß perlte auf der Stirnglatze. Unter die Achsel hatte er sich eine Zeitung geklemmt. Nicht irgendeine Zeitung, sondern das Blatt für die Beneidenswerten, die Costa Blanca Nachrichten (CBN).

In ihren Villen zwischen Valencia und Alicante lebt die – neben den Kanaren – größte deutsche Kolonie im Ausland. Und fast 30.000 dieser Menschen lesen mäßig bis regelmäßig die CBN. Zusätzlich, wohlgemerkt, zu deutschen Sendern, die sie sich „über Schüssel“ in die süße Diaspora holen – um jeden Abend heimzukehren in eine televisionäre Schicksalsgemeinschaft. Und obwohl kaum ein Kiosk in der Levante ohne die üblichen deutschsprachigen Zeitungen auskommt, verkaufen sich die CBN wöchentlich 27.000 Mal. 43 angestellte Redakteure beschäftigt das Blatt in Büros von Benissa bis Benidorm, von Calpe bis Torrevieja. Nur Sorgen und Nöte der ansässigen Deutschen finden Eingang in das Organ – wenn die spanische Verwaltung eine Kläranlage in Ruchweite teurer Domizile zu bauen sich erdreistet, wenn ledrige Witwen die schönsten Pudel küren, wenn der zugereiste Arzt eine Sprechstundenhilfe sucht – dann sind die CBN zur Stelle. 220 Seiten, davon 110 Seiten Anzeigen. Ein Blatt für alle Lebenslagen, vor allem jene mit Meerblick.

Es lag, als der Pfälzer schließlich doch verduftete, ein halbrunder Schweißschatten über der Titelseite, als er die CBN aus seiner Achselhöhle befreite. Wir fanden das bezeichnend. Und fuhren schweigend heim. „Futurama“ gucken, auf ProSieben.