: Beim Asylrecht braucht der Kanzler Ruhe
Schröders Haltung in Sachen Asyl hat einen Grund: Fraktion und Partei würden ihm bei einer Änderung des Grundrechts nicht folgen
BERLIN taz ■ Von einer Änderung des Asylrechts könne „gar keine Rede“ sein, hat Gerhard Schröder am Wochenende erklärt. Die Deutlichkeit des Kanzlers überrascht kaum.
Nach einer innenpolitisch turbulenten Woche, in der ein Streit innerhalb der rot-grünen Koalition beigelegt wurde und der Verkehrsminister zurücktrat, braucht Schröder vor allem eines: Ruhe in den eigenen Reihen.
Vor allem beim Thema Asyl, das innerhalb seiner Partei ein heißes Eisen darstellt, kann sich der SPD-Vorsitzende sicher sein: Eine Mehrheit der Bundestagsfraktion würde den Vorschlag der CSU, das individuell einklagbare Asylrecht gegen eine institutionelle Garantie auszutauschen, nicht mitmachen. Der Wille der Fraktion wäre aber unabdingbar – schließlich müsste im Falle einer Asylrechtsänderung das Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag geändert werden.
Auch in der Partei, die sich wiederholt für Erleichterungen beim Asylverfahrensgesetz stark gemacht hat, gibt es dafür wohl kaum eine breite Unterstützung. Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) lehnte Anfang November eine Umwandlung des jetzigen Asylrechts in eine institutionelle Garantie ab.
Allein Bundesinnenminister Otto Schily hat öffentlich wiederholt eine „tabulose“ Diskussion über die Fragen der Zuwanderung und des Asylrechts verlangt. Seine Haltung ist, gemessen an seinen eigenen früheren Äußerungen, nur konsequent: Schon bei der Änderung des Artikels zum Grundrecht auf Asyl am 26. Mai 1993 durch den Bundestag hatte er für eine Umwandlung in eine institutionelle Garantie plädiert.
Die jetzige Regelung – der Satz in Artikel 16, „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, wurde durch vier zusätzliche Artikel eingeschränkt – nannte er in der damaligen Debatte eine „verfassungsästhetische Katastrophe“.
Die Grünen halten am jetzigen Asylrecht fest. In einem Beschluss des Parteirats heißt es: Der „Schutz politisch Verfolgter muss auf einem individuellen, rechtsstaatlichen Verfahren beruhen, wie es das Grundgesetz und die Genfer Konvention vorsehen“.
Die CDU ist in der Sache gespalten. In ihrem jüngst von Vorstand und Präsidium verabschiedeten Einwanderungspapier wird der Konflikt mit einem Kompromiss aufgefangen: „Die Umwandlung des Asylgrundrechts in eine institutionelle Garantie darf im Hinblick auf eine europäische Einigung und europäische Harmonisierung auch des Rechts kein politisches Tabu bleiben.“
Die PDS lehnt eine Änderung des Asylrechts ab, auch wenn die stellvertretende Parteichefin Petra Pau jüngst eine Debatte über eine Steuerung der Zuwanderung anstieß. Die FDP hält ebenfalls nichts vom Vorschlag der CSU. Die „bajuwarische Hauruckmentalität“ akzeptiere man nicht, so FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle gestern in Berlin. Er forderte die Unionsparteien auf, ihren Kurs in der Ausländer- und Asylpolitik zu klären. SEVERIN WEILAND
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