Europa: alles Kohl

Bei der Debatte zum EU-Gipfel in Nizza gibt es nur noch Europhile: Fischer lobt sogar Helmut Kohl

BERLIN taz ■ „Nach der Wiedervereinigung Deutschlands geht es jetzt um die Wiedervereinigung Europas“, ruft Joschka Fischer, als sei er Helmut Kohl. Der Bundestag debattiert den EU-Gipfel von Nizza in der kommenden Woche, und der Außenminister ist nicht alleine mit seiner Verbeugung in Richtung CDU. Bundeskanzler Gerhard Schröder weicht in den Schlussworten seiner Regierungserklärung sogar vom Text ab, um mehrfach zu betonen, wie viel ihm an der Einigkeit mit der Opposition liegt. „Die Bundesregierung ist bereit, die großen europapolitischen Fragen gemeinsam mit allen Fraktionen des Deutschen Bundestages anzugehen.“ Die Schmeichelei geht über das übliche Einvernehmen in außenpolitischen Fragen hinaus: In der rot-grünen Koalition fürchtet man, CDU und CSU könnten sich für einen euroskeptischen Bundestagswahlkampf 2002 entscheiden. So müht sich Fischer, die Union mit einem ausdrücklichen Lob für Kohl auf dessen Europapolitik festzunageln. Schröder warnt, es gehe jetzt darum, mit den Sorgen der Bürger „keine Stimmungen zu machen“.

Oppositionsführer Friedrich Merz bietet allerdings wenig Anlass, ihn für ein eurofeindliches Schreckgespenst zu halten. Zu beflissen verspricht er der Regierung seine Unterstützung, „in Nizza zu einem guten Ergebnis zu kommen“. Rhetorisch geschickt wirft er dem Kanzler vor, die europäische Dimension der Rinderseuche BSE mit keinem Wort erwähnt zu haben – und also die Sorgen der Bürger zu vernachlässigen. Ansonsten beschränkt er sich darauf, Schröder fehlende Leidenschaft für die EU-Erweiterung vorzuhalten. Sein schönster Satz: „Wenn ich Ihre Zwischenrufe höre, nehmen meine Zweifel, ob BSE auf den Menschen übertragbar ist, noch weiter ab!“

Bei den Reformvorhaben von Nizza zeigt der Kanzler sich eher skeptisch: In wesentlichen Fragen hätte man sich noch nicht geeinigt. Energische Kritik übte in der Debatte nur Uwe Hiksch für die PDS. Unter Rot-Grün sei die militärische Seite der EU immer stärker ausgebaut worden, obwohl beide Parteien in der Opposition auf das „Primat des Politischen“ pochten. Er wünsche sich zum Beispiel beim Umweltschutz Fortschritte „in gleicher Präzision und Schnelligkeit“, wie die EU sie beim Aufbau ihrer Eingreiftruppe an den Tag lege.

PATRIK SCHWARZ