piwik no script img

Herbstliche Merkwürdigkeiten frisch ausgepackt

■ „Tesla's Aquarium“ und „Das deutsche Gesicht“: Multimediale Neuerscheinungen der Edition Stora

Pah! Herbst und Winter sollen ruhig kommen; die richtigen Geschmacksprämissen auf Erduldendenseite vorausgesetzt, machen die beiden Griesgrame und ihre grau-nasskalten Tagesscharen diesmal keinen Stich. Denn der morgige Freitag bringt mit dem üblichen Blätter- auch Lieferwagengelb (beziehungsweise -braun) und also Neues von Stora in deinen Eckladen: neue Einblicke in das Synthiepop- und Schmunzelkunsttreiben des im nordfriesischen Elbvorland ansässigen Unternehmens, das dem verengten Geschäft als Musikverlag Edition Stora längst entwuchs und den Label-Ast Storage ausbildete.

Das zog die schlüssige Tonträgerreihe Storage Secret Sounds (mit Erscheinungen von unter anderem Nova Huta und Oleg Kostrow) nach sich, um jetzt als Storage Secret Visuals andere Medienformen zu nutzen. Und hieß es da nicht irgendwo manifesthaft, „den Aktionsradius bis nach nach unendlich zu treiben“ sei Ziel des Ganzen? In Form von CD und – erstmals – CD und Bilderbuch stülpt sich jenes Universum großer Kunstwerkambitionen und kleiner Elektronikgeräuschlein, mitunter mystisch verhangenen Überbaus und charmant-gerissenen Understatements jetzt zweimal mehr in die Wahrnehmung. Ambitioniert-sperrig und beschwingt-ironisch, wie es sich bei den Stora-Projekten eingependelt hat, wie man es schätzt – oder eben nicht.

Da schlägt zum Beispiel der fleißige Felix Kubin wieder zu: Auf Tesla's Aquarium macht er die Musik, die eindrucksvolle Pia Burnette (musikalisch ansonsten unterwegs mit Electro Sun, Mausi Sisters, gelegentlich Helgoland; derzeit auch in dem Stück snow Queen.hotel im Lichthof zu sehen) singt, spricht, haucht dazu Texte in wenigstens drei Sprachen. Das riecht nach der über Gebühr typischen Arbeitsteilung handelsüblicher TripHop-Paarungen, klingt musikalisch sogar bisweilen ein wenig danach, und ist dabei, ganz im Stora-Sinne, irgendwie neben der Spur. „Off-off-Musical Jahrmarkt-Sideshow“ und „keine Mitsinghits, nur Strecken, die sich hartnäckig im Kopf verhaken“ wurde das andernorts genannt (SPEX 12/00) und stimmt ja auch bis auf weiteres.

Noch mehr Aufmerksamkeit verdient indes Das deutsche Gesicht von Simone Henneken. Die merkwürdige Geschichte um Silvia von Ambesser mit dem deutschen Gesicht kann wahlweise als zweisprachige CD-ROM betrachtet oder als Bilderbuch durchgeblättert werden – letzteres dann mit Synthiepop-Begleitung von Reznicek und Rudi Burr. Forschungslehre und Mörtel auf der Treppe, wucherndes Schamhaar, schöne Bilder von schnurlos Telefonierenden und ein stinksaurer Hund, der „Begehren“ oder noch besser „Reales“ heißen müsste: So schön sind Unbilden weiblicher Subjekthaftigkeit lange nicht verbildlicht worden. Noch dazu in Legetrick-Technik: „Vergesst South Park!“ hieß es dazu anlässlich der Kinopremiere auf diesen Seiten. Das muss man nicht lustig finden. Aber herbstlich noch viel weniger. Alexander Diehl

Pia Burnette & Felix Kubin: Tesla's Aquarium und Simone Henneken: Das deutsche Gesicht erscheinen am 1.12. bei Stora/Hausmusik; www.stora.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen