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„Burn, Venture Capital, burn!“

Einmal im Monat treffen sich linke Internet-Arbeiter zum Last Tuesday. Dabei geht es nicht um Risikokapital, sondern um Kapitalismuskritik

von RICHARD ROTHER

Das Sofa ist schmuddelig, das Bier warm, das Licht neon, Dienstag der letzte des Monats – Last Tuesday eben. Rund 20 hip gekleidete Leute zwischen 20 und 35, fast ausschließlich Männer, sitzen im Kreis, rauchen Zigaretten, reden über „Wiezies“ (VCs – Venture Capitalists), die neue Mitte und die Beschleunigung der Welt. „Burn, Venture Capital, burn!“ ist das Motto der Veranstaltung, die das Gegenstück zum First Tuesday ist.

Der First Tuesday, das ist der Treffpunkt der Emporkömmlinge der New Economy. Jeden ersten Dienstag im Monat buhlen sie um Risikokapital, prahlen mit Click Rates und üben sich vor allem in einem: sich selbst feiern.

Darüber kann man beim Last Tuesday nur lachen. Die Häme über crashende Start-upper und stürzende Börsenkurse scheint in der Fabriketage in Mitte überall zu stecken: in der ausgetretenen Zigarette auf dem Boden ebenso wie im Bingbang des abstürzenden i-Mac. Während hinten im Raum an nichtkommerziellen Websites gebastelt wird, erzählt Last-Tuesday-Organisator Sebastian Lütgert eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. Ein findiger Mann habe eine Site kreiert, auf der man auf das Scheitern von Start-ups setzen kann. Die Seite habe 200.000 Hits täglich, der Mann verdiene viel Geld. Scheitern als Chance.

Dennoch: Die Häme hat Grenzen - die meisten im Kreis arbeiten selbst in Start-ups. Ein junger Mann berichtet sorgenvoll über seine Firma: „Wir haben eine Burn rate von 200.000 Mark.“ „Im Jahr?“, fragt einer. „Nee, im Monat.“ Der Mann schaut auf den staubigen Boden. So viel Miese im Monat ist viel für eine kleine Firma. Die anderen zeigen Verständnis. „Bis der letzte verlängerte Business-Plan scheitert, dauerts ein Weilchen“, sagt einer. Das klingt ein bisschen nach Selbsterfahrungsgruppe.

Und weicht Analyse-Versuchen. Die Firmen am neuen Markt seien zu 90 Prozent Luftblasen, sagt einer. Der Internet-Hype sei vorbei, jetzt sei Biotech dran.

Was dann komme, wisse keiner. Kurzes Schweigen. Ein Mann holt sich ein Bier, drei Mark in die Kasse des Vertrauens werfend: „Ich hab da mal nen linksradikalen Einwurf.“ Seine Augen leuchten wie der rote Stern auf dem Heineken-Etikett. „Kann man nix rausziehen aus diesem Beschleunigungswahn?“

Der Einwurf verschwindet irgendwie, und die Runde debattiert über die neue Mitte – zum Beispiel über eine Super Mall in Oberhausen, die so heißt. Später – der hohe Raum ist schon ziemlich verqualmt – hat eine Frau eine Idee. Früher habe die Linke gegen die Trennung von Arbeit und Freizeit gekämpft, heute müsse man für das Gegenteil eintreten. Der Grund: In vielen Firmen arbeitet manch Beschäftigter bis zum Umfallen, weil man beides nicht mehr auseinanderhalten kann.

Die Diskussion plätschert dahin. Spät in der Nacht bröckelt die Veranstaltung auseinander. Konkrete Ergebnisse seien beim Last Tuesday nicht zu erwarten, sagt Lütgert. „Die Leute sollen sich austauschen.“ Und dabei gehe es „natürlich auch um eine Beschreibung oder Kritik von kapitalistischen Zuständen“. Beschreibung oder Kritik? Aber das ist wahrscheinlich die postmoderne Beliebigkeit des Netzes.

Last Tuesday: jeden letzten Dienstag des Monats ab 21.00 Uhr im _lab, Ziegelstr. 23, Mitte

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