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EINE KLEINE HOMMAGE ZUM 100. TODESTAG DES DICHTERS OSCAR WILDEDer Fleiß ist die Wurzel der Hässlichkeit

Oscar Wilde steht für die Freiheit, für die Freiheit des Einzelnen, für die Unabhängigkeit von der Herde. Für die Gestaltung des Lebens nach dem eigenen Geschmack, nach den eigenen Bedürfnissen. Und für das Ausleben der eigenen Lust. Dem „Reproduzieren!“ setzte er ein „Genießen!“ entgegen. Er setzte das „Spiel“ gegen den „Ernst“ der industriellen Welt. Diese Idee ästhetisierte er und machte sie zum Gegenstand seiner Kunst.

„Der Fleiß ist die Wurzel aller Hässlichkeit“ – ein guter Aphorismus, aber was, wenn Oscar Wilde das ernst gemeint hat? Dann untergräbt er die Arbeitsmoral. Solange es sein Spiel zu sein schien, tolerierte ihn die Gesellschaft. Als die Öffentlichkeit merkte, dass Wilde nicht spielte, was er zu spielen vorgab, sondern es lebte, war es mit dem Gefallen an diesem Paradiesvogel vorbei, und die vermeintliche Toleranz schlug in brutale Intoleranz um.

Doch Oscar Wilde demonstrierte uns Haltung. Er verwirklichte sein ästhetisches Programm konsequent, in der Literatur und im Leben, und er verwirklichte seine Freiheit gegen alle äußeren Widerstände. Als er im Kampf gegen die Gesellschaft unterlag, floh er nicht, sondern nahm zwei Jahre Zwangsarbeit auf sich – die ihn letztlich zerstörten.

Und dennoch siegte er auch. Heute ist er in England nicht mehr Persona non grata, sondern Heros: Heute widmet auch die British Library ihm Ausstellungen und Vortragsreihen, bei denen sich das professorale Bildungsbürgertum versammelt, mit der obligatorischen Lilie im Knopfloch auf der Bühne.

Wer seinen Sex genießt, der gedenke heute Oscar. Sicher, man muss ihm nicht in jede Exzentrizität folgen, aber man sollte wissen, was er für uns alle auf sich genommen hat. In Wilde wird in exemplarischer Weise Kunst zur Avantgarde, zur Vorkämpferin der Freiheit der Menschen, aller Menschen, nicht nur der Künstler. Also genießen wir das Leben, leben wir spielerisch und spielen wir mit der Sexualität. Die heutige Nacht sei Oscar Wilde gewidmet! Gedenken wir seiner – und lesen wir ihn. Das sind wir ihm schuldig. Wir werden es nicht bereuen. LUKAS BERNHARDT

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