: Barak hofft auf Arafats Hilfe
In Israel werden im Frühjahr vorgezogene Neuwahlen stattfinden. Regierung und Opposition streiten sich noch um den genauen Termin. Der Regierungschef hat nur eine Chance, wenn er einen Vertrag mit den Palästinensern vorweisen kann
aus Jerusalem SUSANNE KNAUL
Im kommenden Frühjahr werden in Israel vorgezogene Neuwahlen abgehalten. Zu diesem Ergebnis führte eine Knesset-Debatte in der Nacht zum Mittwoch, als die Abgeordneten fünf Gesetze zur Auflösung des Parlaments mit absoluter Mehrheit befürworteten. Die Gesetze kamen zwar zunächst nur in erster Lesung vor das Parlament, Ministerpräsident Ehud Barak machte jedoch mit seiner überraschenden Zustimmung zu Neuwahlen die zweite und dritte Lesung zur Formsache: „Ich fürchte mich nicht vor Wahlen“, meinte er. „Wo immer ich kandidiert habe, habe ich gesiegt.“ Barak gab sich trotz der überwältigenden Mehrheit in allen fünf Abstimmungen ungebrochen selbstsicher.
Die Gegner Baraks kamen aus fast allen Lagern in der Knesset: Der oppositionelle Likud warf dem Regierungschef Versagen auf allen Ebenen vor, wobei sich die fünf Initiatoren der Abstimmung vor allem auf die Gewalt in den Palästinensergebieten und an der Nordgrenze sowie auf soziale Probleme konzentrierten. Die arabischen Abgeordneten, die gegen Barak stimmten, warfen ihm mangelnden Willen im Friedensprozess vor.
Auf die Kritik, nicht genug gegen die Gewalt zu unternehmen, konterte Barak: „Nie ist die Israelische Verteidigungsarmee schärfer gegen die Palästinenser vorgegangen als in diesen Tagen.“ Für ihn steht eine schnelle Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen auf der Agenda. Nur mit einem wie auch immer gearteten Vertrag hat Barak Chancen, wiedergewählt zu werden.
Aus Besorgnis wegen „der gefährlichen Richtung, die Barak einschlägt, weil er um jeden Preis einen Vertrag mit Arafat erreichen will“, drängt Oppositionsführer Ariel Scharon auf Neuwahlen, „so schnell wie möglich“. Denkbar wäre der Monat März. Der April ist wegen des jüdischen Pessach-Festes eher unwahrscheinlich. Auch Nathan Scharansky, Chef der Immigrantenpartei Israel B’Alija, hält Neuwahlen „innerhalb vor drei Monaten“ für sinnvoll. Es sei nicht die Zeit für lange Wahlkämpfe, die „das Volk zusätzlich spalten“. Die Regierungskoalition würde hingegen Wahlen im Mai vorziehen. Das Datum soll in den kommenden Tagen von den Fraktionsvorsitzenden festgelegt werden.
Die Frist von mindestens drei Monaten ist unter anderem notwendig, damit die Listen Zeit für interne Kanadidatenwahlen haben. Im Likud zeichnet sich ein Führungswechsel ab: Gegen Ariel Scharon treten vermutlich Silwan Schalom und Limor Livnat – beide hatten Gesetzentwürfe zur Knesset-Auflösung eingebracht – sowie Expremierminister Benjamin Netanjahu an, der die besten Chancen hat. Nach Umfragen der Tageszeitung Ma’ariw vom vergangenen Wochenende liegt Netanjahu derzeit mit über 20 Prozent vor Barak. Innerhalb der Arbeitspartei wird es vermutlich keine Veränderungen geben. Der einzige mögliche Gegenkandidat für Barak ist der jetzige Parlamentspräsident Abraham Burg, der sich indes noch nicht zu der Frage geäußert hat.
Mitte Dezember wird in der Knesset über den Wahlmodus diskutiert werden. Bei den beiden letzten Parlamentswahlen wurde der Premierminister per Direktwahl bestimmt und nicht, wie zuvor üblich, von der stärksten Fraktion gestellt. Diese Wahlreform ist mit ein Grund dafür, dass zwei Premierminister – Netanjahu und Barak – mitten in ihrer Amtszeit gestürzt werden. Für eine Rückkehr zum alten Wahlgesetz treten vor allem die traditionellen Parteien ein. Fraktionen wie die Schas oder die anti-religiöse Schinui würden hingegen bei einer Rückkehr zur alten Methode Stimmen verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen