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der homosexuelle mann ...

von ELMAR KRAUSHAAR

... ist drin. Drin? Drin! In der Mitte der Gesellschaft! Endlich normal! Wo immer und was immer Sie wollen, Hauptsache drin. Nach dem Durchmarsch der fast ins Unkenntliche geschrumpften Homo-Ehe im Bundestag und -rat jubeln die Menschen: „Der endgültige Durchbruch!“, frohlockt MdB Volker Beck, „Homosexualität wird jetzt zum Kanon des Normalen zählen“, heißt es dazu mit aller Opportunisten-Verve im vorderen Teil dieser Zeitung.

Damit ist die mediale Stimmung nach dem angeblich historischen Ereignis ausreichend beschrieben. Denn zufrieden mit diesem warmen Händedruck für die einstmals dämonisierte und skandalisierte Minderheit waren im Gros alle Kommentatoren außerhalb des lesbisch-schwulen Lagers.

Aber warum? Was hat die große Öffentlichkeit bewogen, so viel Kreide zu fressen? Jene, die noch vor kurzem Sexmonster, Virenschleudern und Verräter am eigenen Geschlecht waren, können sich plötzlich nicht mehr retten vor der gewaltigen Umarmung. Selbstverständlich weiß jeder mit einigermaßen Grips in der Birne, dass diesen Befürwortern der neuen Toleranz die soziale und sonstige Lage der Homosexuellen und deren – um einmal dieses widerwärtige Wort zu gebrauchen – „Entdiskriminierung“ ganz locker am Arsch vorbeigeht. Aber das Bild des homosexuellen Paares, das gefällt. Nur das macht die Unmöglichen plötzlich möglich, hält sie in Schach im unterbewussten Duell der Triebe, beschwichtigt und beruhigt. Und nur darum geht es bei diesem ganzen symbolischen Firlefanz, der da „eingetragene Partnerschaft“ heißt. Lesben und Schwule sind froh, endlich aus den Negativschlagzeilen rauszukommen, und die Heterosexuellen wollen aufatmen: Wenn schon die anderen nicht mehr zu ignorieren sind, dann machen wir sie uns handzahm und stecken sie in das Korsett bürgerlicher Anständigkeit.

Nun wissen aber wir mit dem bisschen schwulen Alltag auf dem Buckel, dass dieses ganze Gerede von einem „historischen Wendepunkt“ (Kerstin Müller) Quatsch ist. Es wird uns in punkto „gesellschaftlicher Akzeptanz“ – um eine andere Phrase abzuhaken – keinen Schritt weiterbringen. Der Müll in den Köpfen der Linken wie Rechten, Liberalen wie Konservativen, Aufgeklärten wie Hinterwäldlern, Jungen wie Alten und, ja auch, Männern wie Frauen lagert so tief, dass es wahrlich naiv ist, daran zu glauben, dass die doppelte Unterschrift für einen gemeinsamen Namen unter einen Vertrag, der ausliegt beim Standesamt oder bei der Polizeibehörde, auch nur einen Bruchteil daran verschieben könnte. Die Euphorie über den gelungenen Integrationscoup wird gepflegt unter den verantwortlichen Politikern, ihren anhängenden Lobbyisten und den unterstützenden Medien. Bei denen, die es angehen soll, bleibt die Skepsis. Der Tag der schwulen Befreiung in Deutschland war der 1. 9. 1969, als die erste Reform des Paragraphen 175 in Kraft trat. Im Dezember 2000 reagiert das schwule Salon-Magazin Männer aktuell auf die neue Situation mit nichts auf dem Titel – außer einem großen, signalroten „F“ und einem kleinen „icken“ in Grün. So viel dazu.

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