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american pieÜberraschungen beherrschen die NFL-Saison

Brutale Ehrlichkeit, rüder Ton

the day, the music died

Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es so aus, als sollten die St.Louis Rams die Rekordbücher der NFL umschreiben. Peter King, Football-Fachmann von Sports Illustrated, glaubte gar, „the greatest air show“ der NFL-Geschichte besichtigen zu dürfen. Ein paar Wochen später droht der amtierende Super-Bowl-Champion gar die Playoffs zu verpassen.

Das Problem: Der kleine Finger der Wurfhand von Kurt Warner, dem Quarterback der Rams, dessen Aschenputtel-Aufstieg von der Supermarkthilfskraft über die NFL Europe zum wertvollsten Spieler der Liga selbst Hollywood zu unglaubwürdig zum Verfilmen wäre. Am letzten Sonntag schließlich kam Warner zurück, passte sich aber nahtlos seinen kriselnden Kollegen an. Auch er konnte die 3:16-Niederlage gegen die Carolina Panthers, die dritte in Folge, nicht verhindern. Tatsächlich war er hauptverantwortlich dafür, dass St.Louis so wenige Punkte wie seit zwei Jahren nicht mehr zustande brachte. Kein einziger seiner Pässe führte zum Touchdown. „Ein paar der Würfe würde ich gerne noch mal machen“, sagte ein sichtlich geschockter Warner nach dem schlechtesten Auftritt seiner NFL-Karriere.

Zwar haben die Rams immer noch eine positive Saison-Bilanz, aber in den letzten Spielen geht es gegen Minnesota, Tampa Bay und New Orleans, die allesamt zu den besten Teams gehören.

Ein gutes Zeichen ist, dass die Verteidigung der Rams in den letzten Wochen sehr viel besser spielt als zu Beginn der Saison. Wenn Warner also wieder ganz der Alte wird und die Punktemaschine läuft, können die Rams den Titel verteidigen. Sollten sie aber die Playoffs verpassen, wäre das nur eine Überraschung unter vielen. Während Teams aus Philadelphia, New Orleans, Oakland und Baltimore um die Meisterschaft mitspielen, können sich die Favoriten Tampa Bay Buccaneers und Washington Redskins keine weiteren Niederlagen leisten, wenn sie im Januar nach dem Ende der regulären Saison nicht sofort Urlaub machen wollen.

Bei den Redskins musste Cheftrainer Norv Turner am Montag gehen. Der als blutarmer Bürokrat verschriene Turner war nicht in der Lage, das bestbezahlte Team in der Geschichte der NFL zu motivieren. Team-Besitzer Dan Snyder gab 93 Millionen Dollar an Gehältern aus und forderte: „Es geht nur ums Gewinnen.“ Die Millionäre verloren zuletzt 7:9 gegen die New York Giants. Nachfolger wird Assistenztrainer Terry Robiskie, den man hierzulande wohl einen „harten Hund“ nennen würde. „Norv hat die Spieler nicht gefordert“, sagte Guard Keith Sims.

Tatsächlich waren die Redskins unter Turner ein undisziplinierter Haufen. „Wie ein Wagen mit Allradantrieb, der im Schlamm feststeckt“, metaphorisierte Mitbesitzer Fred Drasner nach Turners Entlassung. Der Neue hielt der Mannschaft erst mal eine Standpauke, die mit einer stehenden Ovation honoriert wurde. „Terry ist brutal ehrlich und kommt auf den Punkt“, freut sich auch Verteidigungsspezialist Kenard Lang über den neuen, rüden Umgangston in Washington, „er ist wie eine Stange Dynamit, Terry wird dafür sorgen, dass hier was passiert.“

Die Frage ist, ob Wesentliches passiert. Denn auch wenn Robiskie Erfolg hat, liegt das Problem beim 35-jährige Snyder, der seine Millionen im Marketing gemacht hat, sich aber stets in sportliche Belange einmischt. Ex-Redskin John Riggins: „Unglücklicherweise ist Mr. Snyder ein wenig reizbar. Außerdem kennt er sich mit Football nicht sonderlich aus. Er weiß einfach nicht, was er tut.“ Aber wer die Millionen hat, hat Recht. THOMAS WINKLER

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