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Mit Dauergrippe auf der Straße

Auch ohne Frost brauchen Obdachlose Unterkünfte. Es gibt zu wenig gute  ■ Von Kaija Kutter

72 Plätze in Wohncontainern hatte Karin Herrtwich in ihrer Kartei. Die kleinen Wohnunterkünfte, die Kirchengemeinden im November auf ihren Geländen aufstellen ließen, waren sofort ausgebucht, berichtet die Leiterin der Tagesstätte (TAS) an der Bundesstraße. Die bis zu 120 Obdachlosen, die täglich in die TAS kommen, muss sie nun an das „Pik As“ und die Wohnschiffe verweisen. Herrtwich: „Aber die sagen, dahin gehen sie nicht. Das ist ihnen zu laut und zu dreckig.“

Das Problem liege vor allem in der Struktur der Unterkünfte. Dort wo viele Menschen mit Drogen- und Alkoholproblemen zusammenkommen, gibt es auch viele Konflikte. Herrtwich: „Da sagen viele, das Leben auf der Straße ist besser. Da kann ich das Leben für mich gestalten.“

1200 Obdachlose gibt es nach einer 1995 durchgeführten Zählung in dieser Stadt, Sozialarbeiter schätzen die Zahl noch höher. Für sie hat Sozialsenatorin Karin Roth in diesen Winter 190 Plätze zusätzlich bereitgestellt. Neben den rund 80 der Kirchen, deren Betriebskos-ten von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) übernommen werden, nochmal 100 auf dem Altonaer Wohnschiff „Bibby Challenge“ und neun Einzelzimmer für Menschen mit Hunden im „Pik As“. Sollte es zu einem harten Kälteeinbruch kommen, könne man jederzeit „bedarfsgerecht aufstocken“, beteuert BAGS-Sprecher Ingo Schädlich: „Keiner muss auf der Straße schlafen.“

Aber wo dann? Das „Pik As“ habe zwar viele Zwei-Bett-Zimmer und sei „ein bisschen besser als sein Ruf“, sagt Sonja Fessel vom Landesbetrieb Pflegen & Wohnen. Trotzdem sei es die „unterste Stufe der Versorgung“. Fessel: „Wir bemühen uns, dezentrale Unterbringung möglich zu machen.“ Eine Konsequenz, die auch aus einer Studie hervorgehe, die die BAGS 1998 in Auftrag gegeben hatte.

Die Studie sei im „Planungs- und Abstimmungsstadium“, sagt dazu Schädlich. Frühestens im nächsten Jahr wolle man mit Modellprojekten in den Bezirken beginnen. Zudem habe die Sozialbehörde derzeit andere Sorgen. Mit 600 bis 800 liege die Zahl der Zuwanderer so hoch wie „Mitte der 90er Jahre“. Ein Umstand, der bereits dazu führte, dass 30 Flüchtlinge vorübergehend im „Pik As“ untergebracht wurden.

Mit einer Ausweitung der kirchlichen Hilfe ist wohl nicht zu rechnen. Die Zahl der Unterkünfte hat sich bereits um ein Drittel reduziert. Auch in den Gemeinden herrscht Geldmangel, werden „Pfarrstellen gestrichen“, gibt Volker Gilbert von der Bischhofskanzlei zu bedenken.

Für Karin Herrtwich besteht trotzdem Handlungsdruck. Denn auch ein milder Winter ruiniert die Gesundheit, wenn Menschen auf der Straße schlafen. Herrtwich: „Die Männer laufen hier mit Dauergrippe herum und können sie nicht auskurieren.“ Die 14 Plätze für kranke Obdachlose, die auf dem Gelände des ehemaligen Hafenkrankenhauses errichtet wurden, seien viel zu wenig.

Die Stadt müsse die Obdachlosen nicht nur „verwahren“, sondern ihnen weiterführende Hilfen anbieten, „sonst sind sie nächsten Winter wieder auf der Straße“. Letztlich als gut bewährt hätten sich die Kleinstunterkünfte bei den Kirchen. Damit es wieder mehr davon gibt, sollte die BAGS früh bekanntgeben, wieviel Geld es dafür gibt.

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