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Can`t See No Future

Gestern wurde der Selbstmord eines Polizisten bekannt. „Kritische PolizistInnen“ ziehen Parallelen zu Mobbingfällen. Polizei spricht von „Instrumentalisierung“ des Suizids

Die Bundsarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten meldete gestern den Selbstmord eines Berliner Polizeibeamten. Der 50-jährige Heinz M. hatte sich bereits am 3. November nach seinem Dienst erschossen. Die Tat wurde nicht früher bekannt, weil die Polizei eine „Pressesperre“ verhängt habe, so die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft, Bianca Müller. Die Polizei bestätigte den Selbstmord, eine Pressesperre sei aber nicht verhängt worden.

Bianca Müller stellt den Selbstmord in Zusammenhang mit Mobbingbeschwerden, die es bereits in der Vergangenheit auf der Dienststelle von Heinz M. gegeben habe. Kollegen des Toten, der bei der Straßenverkehrskontrolle in der Direktion 4 arbeitete und eine Frau und ein Kind hinterlässt, sollen bereits im August vier Fälle massiven Mobbings gemeldet haben. In mindestens zwei Fällen soll Beschwerde eingelegt worden sein. Müller zieht deshalb Parallelen zu dem Fall der Berliner Polizistin Stefanie L., die sich 1997 das Leben nahm und denselben Vorgesetzten wie Heinz M. gehabt habe. „Wir stellen nur fest, dass es Mobbingfälle gegeben hat, und jetzt haben wir einen Toten“, so Müller.

Während die Polizei gestern mitteilte, dass Heinz M. kurz vor dem „tragischen Vorfall“ ausdrücklich sein „Wohlbefinden“ in der Dienststelle geäußert habe, erklärte Bianca Müller, Heinz M. habe sich bei Kollegen über dienstliche Probleme beklagt. Außerdem teilte die Polizeipressestelle mit, dass es auch keine Hinweise auf „schwere Mobbingfälle“ in der Dienstelle gebe. Die Anschuldigungen gegen den Dienststellenleiter, der mittlerweile zum Polizeidirektor befördert wurde, seien „substanzlos und empörend“. Es sei „moralisch bedenklich“, dass die Selbsttötung eines Menschen instrumentalisiert werde.

Die Polizei reagierte wie schon oft auf Anschuldigungen von Bianca Müller mit einem Strafverfahren gegen die Sprecherin. Allein im vergangen Jahr wurden nach ihren Angaben zehn Straf- und Diziplinarverfahren gegen sie eingeleitet, weil sie sich für Mobbingopfer eingesetzt hatte. „Alle Verfahren wurden eingestellt“, so Müller.

BRITTA STEFFENHAGEN

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